Im Tal der flammenden Sonne - Roman
vor Erleichterung beinahe in Tränen ausgebrochen. Sie stand auf, streckte die Hände aus und tastete im Dunkeln um sich. Wieder berührte irgendetwas sie an der Schulter.
»Uri, bist du das?«, fragte sie. Dann spürte sie, wie das feuchte Maul des Kameljungen ihr Gesicht berührte. »Uri!«, rief sie erleichtert, und Tränen liefen ihr über die Wangen. »Es ist alles gut«, sagte sie leise. Sie hörte Bess wieder schnauben. »Gehen wir nach Hause.«
Arabella setzte ihren Weg zum Hotel fort. Bess und Uri trotteten brav hinter ihr her. »Ihr beide habt uns einen schönen Schrecken eingejagt«, sagte Arabella, als könnten die Tiere sie verstehen – vielleicht war es ja auch so.
In der Nähe der Ghan-Siedlung hörte Arabella Lärm in der Dunkelheit, doch unbeirrt ging sie weiter auf das Hotel zu. Sie führte Bess und Uri auf ihre Koppel, schloss das Gatter und ging völlig erschöpft zur Hintertür des Hotels.
Als er das Moskitogitter der Hintertür zuknallen hörte, kam Stuart aus der Bar. »Arabella!«, rief er. »Alles in Ordnung?«
»Ja, es geht schon.«
»Wo ist Jonathan?«
»Er ist ins Flussbett gefallen.«
»Was sagst du da?«, rief Stuart. Auch Ted und Les waren nun auf sie aufmerksam geworden.
»Ist er verletzt?«, fragte Ted.
»Nein. Er hat mich zurückgeschickt. Er will versuchen, eine Stelle zu finden, an der er aus dem Flussbett klettern kann.«
Stuart wandte sich an Les und Ted. »Wir müssen eine Fackel anzünden und nach ihm suchen. Wer weiß, vielleicht finden wir diesmal auch Bess und Uri.«
»Die zwei hab ich schon gefunden«, sagte Arabella, »besser gesagt, sie haben mich gefunden. Ich hab sie auf ihre Koppel gebracht.«
»Ist ihnen etwas passiert?«, fragte Stuart.
»Ich glaube nicht. Sie sind nur ziemlich verängstigt.«
Ted, Stuart und Les gingen hinaus, um eine Fackel zu holen. Augenblicke später hörte Arabella Stimmen, und ein Stein fiel ihr vom Herzen
Eine der Stimmen gehörte Jonathan.
»Wir wollten uns eben auf die Suche nach dir machen«, sagte Les zu ihm.
»Ist Arabella hier?«, fragte Jonathan. Arabella hörte die Besorgnis in seiner Stimme, und es rührte ihr das Herz.
»Ja, und sie hat Uri und Bess mitgebracht«, sagte Stuart.
»Wirklich?«, fragte Jonathan. »Das Mädchen ist wirklich einmalig.«
Arabella spürte, wie stolz er war. Es machte sie so glücklich, dass sie sich fragte, ob das, was sie empfand, aufkeimende Liebe war.
Am nächsten Morgen schlief Arabella sehr lange. Als sie aufstand, war das Hotel verlassen; nur Wally saß draußen. Arabella konnte gut verstehen, dass es ihn an die frische Luft zog, nachdem er drei Wochen eingepfercht in seinem Zimmer zugebracht hatte. Doch sie war noch immer nervös in seiner Gegenwart und traute ihm nicht über den Weg. Vermutlich würde sich das niemals ändern.
»Wo sind denn alle hin, Wally?«, fragte sie ihn.
»Zur Ghan-Siedlung. Offenbar ist ein wilder Kamelhengst auf den Koppeln«, sagte Wally, »zusammen mit den Kamelen, die die Afghanen gestern Abend zusammengetrieben haben. Und nun richtet dieser Hengst ein Chaos an.«
»Warum lassen sie ihn nicht von der Koppel herunter?«, fragte Arabella.
»Weil ihm dann womöglich die Kamelstuten folgen. Ich glaube, die Afghanen wollen den verrückten Hengst erschießen.«
»Erschießen?« Arabella konnte nicht glauben, was sie da hörte, und machte sich sofort auf den Weg in die Ghan-Siedlung. Jetzt wurde ihr klar, was für einen Tumult sie gehört hatte, als sie am Abend zuvor mit Uri und Bess zurück zum Hotel gelaufen war. Und nun wusste sie auch, weshalb Uri ihr so ängstlich erschienen war, als sie ihn auf die Koppel geführt hatte: Er hatte sich vor dem Hengst gefürchtet.
Noch bevor Arabella die Ghan-Siedlung erreichte, hörte sie Gebrüll und Geräusche, die sich anhörten, als würde irgendetwas zerschlagen. Die Kamele schrien, knurrten und spuckten. Als Arabella sich den Koppeln näherte, hatte sich dort bereits eine Menschenmenge versammelt. Sie erblickte Jonathan und eilte zu ihm.
»Was ist los?«, fragte sie atemlos.
Die Kamele rannten wild über die Koppel, traten um sich, knurrten böse und spuckten. In ihrer Mitte stand ein riesiger Hengst, der Furcht erregende Laute ausstieß. Er versuchte, die Kamelstuten zu beißen, und jagte angriffslustig seine jüngeren Mitstreiter. Plötzlich stürmte der wild gewordene Hengst auf den Zaun vor ihnen zu und krachte mit der Brust gegen das Geländer. Jonathan zog Arabella rasch zur Seite, als der
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