Im Tal der flammenden Sonne - Roman
Cyril. »Sie haben sich um ihn gekümmert, bis er wieder gesund genug war, um zu seiner Farm zurückzukehren.«
»Tun sie das wirklich?«, fragte Edward. »Ich meine, kümmern sie sich um Weiße?«
»Klar«, lallte Cyril. »Ein paar von denen jedenfalls. Aber wenn du dich oben am Daly River verirrst, könntest du vielleicht als Abendessen für diese Wilden enden«, fügte er kichernd hinzu.
»Halt den Mund, Cyril«, sagte der Barmann. Er wusste, dass Geschichten über kannibalische Aborigines dem ohnehin verzweifelten Edward den Rest geben könnten. »Es gibt ’ne Menge Clans, die durch die Wüste streifen und die einen Weißen bei sich aufnehmen würden, wenn er Hilfe braucht«, sagte er zu Edward.
»Würden sie auch ein weißes Mädchen aufnehmen und sich um sie kümmern?«, fragte Edward, der ein wenig neue Hoffnung zu schöpfen wagte.
»Ja, aber das muss nicht heißen, dass das bei Ihrer Tochter der Fall war. Viele Leute kommen draußen in der Wüste um. Aber es könnte ja sein, dass sie von einem Stamm gerettet wurde. Ich weiß, das ist keine große Hilfe für Sie, und das Nichtwissen ist schlimmer als das Wissen …«
»Nein, das ist es nicht«, sagte Edward. »Wenn man gesagt bekommt, dass die sterblichen Überreste der eigenen Tochter gefunden wurden, ist das eine unvorstellbare Qual. Ich möchte lieber die Hoffnung bewahren, dass Arabella irgendwo da draußen ist.«
Der Barmann zuckte die Schultern. »Das kann ich verstehen«, sagte er. Da er selbst fünf Töchter hatte, konnte er sich vorstellen, wie Edward zumute war. »Wenn man keinen Beweis hat, sollte man wirklich nicht alles glauben, was einem erzählt wird. Wer kann denn schon sagen, dass die Überreste, die gefunden wurden, die Ihrer Tochter sind?«
Genau das hatte Edward auch gedacht. Aber wenn es nicht die Leiche Arabellas war, die man gefunden hatte – wer war es dann? »Ist es möglich, dass es die Überreste von jemand anders waren?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Alles ist möglich«, sagte Bert.
Nachdem Edward ins Hotel zurückgekehrt war, erzählte er Clarice, was der Barmann und Cyril gesagt hatten.
Clarice erwiderte nichts. Sie blickte ihn nur schweigend an.
»Ich weiß, wie gering die Chance ist, dass Arabella noch lebt«, sagte Edward. »Aber ich möchte mir lieber vorstellen, dass ein Stamm sich um sie kümmert, als den Gedanken ertragen zu müssen, dass sie tot ist.«
Clarice seufzte. Sie wusste nicht, was sie denken sollte. »Zu hoffen ist eine Qual«, sagte sie schließlich. »Aber es ist nicht so schlimm wie das Wissen, dass unsere Bella tot ist.«
Keiner der beiden schlief in dieser Nacht. Ihre Gedanken schwankten zwischen Hoffnung und Trauer. Es war die schlimmste Nacht ihres Lebens – noch schlimmer als die Nacht, als sie geglaubt hatten, Arabella sei tot. Damals waren sie sich wenigstens sicher gewesen, was das Schicksal ihrer Tochter anging.
Am nächsten Morgen suchte Edward wieder Sergeant Menner auf.
»Warum dauert es so lange, den Zug und die Telegrafenverbindung wieder in Stand zu setzen?«, fragte er zum wiederholten Mal. Er wollte aus Alice Springs abreisen und etwas unternehmen, um sich endlich Gewissheit zu verschaffen, ob Arabella tot war oder nicht.
»Die Bahnlinie ist fast wieder fertig«, sagte Sergeant Menner geduldig. »Für die Telegrafenverbindung werden Masten aus dem Süden hergeschickt. Sie kann also erst repariert werden, wenn der Zug wieder verkehrt. Hier gibt es nicht genügend hohe Bäume, die man als Masten verwenden könnte.«
»Wie wurde die Telegrafenlinie denn überhaupt errichtet?«, fragte Edward.
»Die Masten wurden von Kamelkarawanen gebracht. Es hat Monate gedauert, um sie aus Adelaide hierherzuschaffen.«
Edwards Augen weiteten sich. Die Kameltreiber, die er in der Stadt gesehen hatte, waren ihm zwar nicht geheuer gewesen, nun aber fragte er sich, ob er diese Männer vielleicht anheuern sollte, um sich von ihnen zu sämtlichen Aborigine-Lagern bringen zu lassen, damit er dort nach Arabella suchen konnte. »Leben irgendwelche Kameltreiber hier am Stadtrand?«, fragte er.
»Nein. Die größte Ghan-Siedlung ist in Marree. Einige leben in Farina und Lyndhurst. Und dann gibt es noch eine Ghan-Siedlung in Broken Hill.«
»Verdammt«, fluchte Edward enttäuscht.
»Einige Aborigines aus der Stadt sind nach Süden aufgebrochen. Ich habe sie gebeten, dass sie nach den …«, Sergeant Menner verstummte gerade noch rechtzeitig, bevor er »Überreste« sagte, »… dass sie nach
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