Im Tal der flammenden Sonne - Roman
Hengst den Kopf über den Zaun reckte. Seine lange Zunge hing heraus, und er hatte Schaum vor dem Maul.
Mehrere Kameltreiber hielten Gewehre in den Händen. Paddy rannte von der anderen Seite des Zauns auf den Hengst zu und zielte auf ihn, doch das Tier warf den Kopf zurück, drehte sich um und drängte sich hinter eine der kostbaren Stuten. Paddy fluchte lauthals. Er hatte seine Chance verpasst. Einige der Männer versuchten mit langen Stöcken, den wilden Hengst von ihren Kamelen zu trennen. Die Szene war chaotisch.
»Geh zurück zum Hotel«, sagte Jonathan zu Arabella, als er sah, wie verängstigt und verwirrt sie war.
Bevor sie etwas erwidern konnte, griff der Hengst eines der jüngeren Tiere an, biss und trat es. Die Kameltreiber schrien vor Angst, der Hengst könnte seinen jüngeren Artgenossen töten. Da sprang Paddy über den Zaun und drängte sich zwischen seinen kostbaren Tieren hindurch. Der Hengst sah ihn und wandte sich ihm zu.
Arabella und Jonathan beobachteten entsetzt das Geschehen. Sie waren sicher, dass der Hengst auf Paddy losgehen und ihn umbringen würde.
»Geh raus da, Paddy!«, brüllte Jonathan und sprang am Zaun hoch.
Arabella stockte der Atem. Wollte Jonathan Paddy zu Hilfe kommen? Sie war wie gelähmt vor Angst.
In diesem Augenblick hob Paddy sein Gewehr, zielte und schoss auf das verrückt gewordene Tier. Die Kugel traf genau zwischen die Augen. Der Hengst bäumte sich auf und fiel tot zu Boden.
Beifallsrufe von den Kameltreibern wurden laut. Jonathan wandte sich zu Arabella um, ein Lächeln auf den Lippen. Doch als er ihre bestürzte Miene sah, wurde er schlagartig ernst.
»Es ist alles gut, Arabella«, sagte er beruhigend. »Den anderen Tieren kann nichts mehr geschehen.«
Arabella blickte Jonathan an, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Dann legte sie ihm die Arme um den Hals und hielt ihn so fest an sich gedrückt, als wollte sie ihn nie mehr loslassen. Endlich wusste Arabella, dass sie diesen Mann liebte.
20
Edward saß in der Sunset Bar am nördlichen Ende der Stadt und trank. Für einige der Einheimischen war er zu einem vertrauten Anblick geworden. Nicht dass sie ihn gut kennen gelernt hätten – er redete kaum ein Wort –, aber er verbrachte jeden Tag ein paar Stunden auf einem Barhocker und trank Bier.
Diesmal saß Cyril Foreman neben ihm, einer der Einheimischen. Cyril war Alkoholiker – ein Mann, dessen Leben größtenteils enttäuschend verlaufen war. Er hatte einen guten Teil seiner siebzig Jahre auf Walfängern verbracht, wo er eines Tages bei einem Unfall ein Bein verloren hatte. Von da an hatte Cyril den Walfang gehasst. Um so weit vom Meer wegzukommen, wie es nur ging, war er schließlich in der Wüstenstadt Alice Springs gelandet.
Cyril wusste, dass ein paar Aborigines in der Stadt Edward berichtet hatten, die sterblichen Überreste seiner Tochter seien gefunden worden. Cyril hasste die Aborigines leidenschaftlich, vor allem, da er ihnen wegen seines Holzbeins nicht entkommen konnte, wenn sie ihn um Almosen anbettelten.
Heute Nachmittag hatte Cyril seine üblichen Gläser Bier getrunken und war mehr als nur ein bisschen beschwipst. »Hör nicht zu sehr darauf, was die Eingeborenen dir erzählen«, sagte er. Er beugte sich so weit zu Edward hinüber, dass er fast von seinem Hocker kippte.
Edward war so sehr mit seinem eigenen Kummer beschäftigt, dass er Cyril kaum hörte.
»Diese Aborigines! Bis irgendwelche Neuigkeiten, die sie aufschnappen, quer durch die Wüste von einem zum anderen weitererzählt wurden, sind sie völlig verzerrt und verdreht. Hab ich Recht, Bert?«, fragte er den Barmann.
Edward drehte den Kopf und blickte Cyril an. Er hatte schon öfter neben ihm gesessen und ignorierte sein Geschwafel im Allgemeinen. Doch was er diesmal sagte, klang logisch, selbst nach etlichen Gläsern Bier.
»Hast Recht, Cyril«, sagte Bert, der Barmann.
»Tatsächlich?«, fragte Edward überrascht.
»O ja«, sagte Cyril, sich mit einem Ellbogen auf die Bar stützend und mit dem Zeigefinger durch die Luft fuchtelnd. »Ich weiß noch, wie sie gesagt haben, Jock McPherson sei auf dem Weg zurück zu seiner Farm ums Leben gekommen, und das stimmte gar nicht.«
»Was ist denn mit diesem Jock McPherson passiert?«, fragte Edward, dessen Interesse erwachte. Er wollte seine Hoffnungen nicht wieder zu hoch hängen, klammerte sich aber an jeden Strohhalm.
»Ein paar Aborigines hatten ihn gefunden und bei sich aufgenommen«, sagte
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