Im Tal der flammenden Sonne - Roman
die Nase hoch. »Da war noch etwas«, sagte sie schniefend. »Ich habe heute Nacht seltsame Geräusche gehört und hatte schreckliche Angst …«
»Das ist ein altes Haus, da knarrt und ächzt es in allen Ecken. Das Eisendach heizt sich tagsüber auf, und wenn es nachts abkühlt, gibt es sonderbare Geräusche von sich. Man gewöhnt sich daran.« Maggie blickte flüchtig zu dem Stuhl neben der Tür. »Sie brauchen keine Angst zu haben, dass die Männer heraufkommen. Die Kerle wissen, dass sie hier oben bei den Gästen nichts zu suchen haben.« Dass sie meist zu betrunken waren, um die Treppe hinaufsteigen zu können, sagte Maggie nicht. »Sie sind hier sicher, Arabella. Es ist nicht nötig, die Tür zu verbarrikadieren.«
»Ich habe Schritte im Flur gehört, und dann ging die Tür gegenüber. Wohnt hier noch jemand außer mir?«
Maggie hörte die Furcht in Arabellas Stimme. »Wahrscheinlich haben Sie Tony und mich gehört. Wir haben unsere Wohnung hier oben. Und das Zimmer gegenüber hat ein Mann namens Jonathan Weston gemietet. Er wohnt seit vier Wochen hier, übernachtet aber gelegentlich auswärts. Seltsam, gestern habe ich ihn gar nicht kommen hören«, fügte sie nachdenklich hinzu.
»Ich bin mir aber sicher, dass drüben die Tür gegangen ist.«
»Kann sein, dass Jonathan von einer seiner Reisen zurückgekommen ist«, sagte Maggie. »Er ist Fotograf und verbringt zwei, drei Nächte die Woche in der Wüste, je nachdem, was für ein Motiv er sich ausgesucht hat. Manchmal, wenn er weit draußen Aufnahmen machen möchte, bezahlt er einen der Kameltreiber, damit der ihn hinführt, oder er leiht sich ein Packpferd und geht zu Fuß. Er ist ein stiller Mann und bleibt meist für sich. Er wird Sie bestimmt nicht stören.«
»Ich möchte auf keinen Fall, dass er mich sieht«, sagte Arabella. »Ich würde ihn ja zu Tode erschrecken. Doch, doch, ich weiß es!«, fügte sie rasch hinzu, als Maggie protestieren wollte. »Sie und Ihre Gäste haben sich ja auch erschreckt, als Sie mich das erste Mal gesehen haben.« Sooft Arabella in den Spiegel schaute, musste sie weinen. Sie hatte Blasen im ganzen Gesicht, und ihre Haut schälte sich. Besonders ihre schuppige, in diversen Rottönen verfärbte Nase sah zum Erbarmen aus.
Maggie musste ihr Recht geben. Tatsächlich hatte Arabella ihnen allen einen gehörigen Schrecken eingejagt, als sie in die Bar getaumelt war. In ihrem Nachthemd, mit ihrem sonnenverbrannten Gesicht und dem offenen Haar hatte sie wie ein Gespenst ausgesehen.
Arabella brach in Tränen aus.
»Nicht doch, Kindchen!«, sagte Maggie begütigend. Sie sah der jungen Frau an, dass sie kaum geschlafen hatte, nicht nur wegen des sicherlich schmerzhaften Sonnenbrands. »Wie wär’s mit einer guten Tasse Tee?«
Arabella schniefte und nickte.
»Und einer Scheibe Toast?«
Arabella nickte abermals. »Kann ich auch Butter und Honig dazu haben?«, fragte sie mit kläglicher Stimme.
Maggie unterdrückte einen gereizten Seufzer und schalt sich im Stillen für ihre Nachgiebigkeit. »Mit der Butter müssen wir haushalten. Sie können einen kleinen Klacks haben, mehr nicht. Und Honig haben wir keinen.«
Sie stand auf und verließ das Zimmer. Arabella hörte, wie sie an die Tür gegenüber klopfte und sie dann öffnete. Einen Augenblick später schloss die Tür sich wieder, und Maggie streckte den Kopf ins Zimmer.
»Mr Weston ist anscheinend nicht da«, sagte sie. Da er nicht zum Frühstück hinuntergekommen war, musste er das Hotel sehr früh verlassen haben. Wahrscheinlich wollte er den Sonnenaufgang fotografieren.
Arabella war neugierig geworden. »Ist er hier aus Marree?«
»Nein, er kommt aus England, aber er hat bereits an verschiedenen Orten in Australien gewohnt. Er ist mit dem Afghan-Express gekommen. Er liebt die Abgeschiedenheit. Dass es hier ein Afghanen-Viertel gibt, war einer der Gründe, weshalb er sich gerade Marree ausgesucht hat, denn er braucht die Dienste der Kameltreiber, um in die Wüste zu gelangen. Wenn er seine Aufnahmen entwickelt, das macht er unten in einer Kammer, hängt immer ein Schild an der Tür. Sie dürfen sie dann auf keinen Fall öffnen, sonst verdirbt das Licht alles. Er hat uns einige seiner Arbeiten gezeigt. Seine Fotografien sind wunderschön.«
»Gehört er auch zu denen, die in der Bar sitzen und trinken?«, fragte Arabella und fügte stumm hinzu: Und die sich hinter dem Haus mit Aborigine-Frauen vergnügen?
Maggie lachte. »Nein, er bleibt meistens für sich. Sie werden
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