Im Tal der flammenden Sonne - Roman
scheu und hob den Kopf ein wenig. Tony war nicht besonders groß. Er hatte helle Haare, wässrig blaue Augen und einen sorgfältig gestutzten Bart, der mehr grau als blond war.
»Die Telegrafenleitung ist immer noch unterbrochen«, sagte er. »Ein afghanischer Straßenhändler, der gegen Mittag in die Stadt kam, hat berichtet, ein Blitz habe in einen Mast eingeschlagen, der daraufhin umgestürzt ist und die Leitung mitgerissen hat. Im Moment kann niemand sagen, wie lange die Reparatur dauern wird.«
Arabellas Kopf fuhr hoch. »Ach herrje! Mummy und Daddy werden außer sich sein vor Sorge! Könnte ich ihnen doch nur irgendwie mitteilen, dass ich am Leben bin und dass es mir gut geht!«
»Was führt Ihre Familie ausgerechnet nach Alice Springs?«, fragte Tony. Die junge Frau war ihm ein Rätsel. Sie klang wie ein kleines Mädchen, wenn sie von ihren Eltern sprach.
»Daddy wollte unbedingt ins Landesinnere. Wir hatten einen Monat in Adelaide verbracht. Mummy gefiel es dort sehr gut, aber Daddy ist ein abenteuerlustiger Mann. Außerdem hofft er, dass das trockene Klima mir guttut, weil ich in England ständig krank war. Der Arzt meinte, es läge an der Feuchtigkeit und der schlechten Luft, aber diese Hitze hier bringt mich noch um! Ich fühle mich schlapp und kraftlos.«
»Es dauert eine Weile, bis man sich an dieses Klima gewöhnt hat. Was ist Ihr Vater denn von Beruf?«, erkundigte sich Tony, den Arabella neugierig machte.
»Er produziert Theaterstücke im Londoner West End. Er hat ein Jahr Urlaub genommen, damit wir reisen können. Mummy war eine berühmte Theaterschauspielerin. Als Daddy ein Stück auf die Bühne brachte, in dem sie mitspielte, haben sie sich ineinander verliebt. Dann kam ich auf die Welt, und Mummy gab ihre Karriere für mich auf.«
Ihr selbstgefälliger Ton entging Tony nicht. Außerdem hatte er den Eindruck, dass sie sich diese Geschichte aus den Fingern gesogen hatte. Sie war so naiv. Und träumten nicht viele Kinder davon, berühmte Schauspieler als Eltern zu haben? Arabella selbst schien auch über ein beachtliches schauspielerisches Talent zu verfügen. »Nun, es dürfte noch einige Zeit vergehen, bis Sie Ihre Eltern wiedersehen«, sagte Tony. »Bis dahin können Sie gern hier wohnen, aber Sie werden verstehen, dass wir nichts zu verschenken haben. Das Leben im Outback ist hart. Als Gegenleistung für Unterkunft und Verpflegung werden Sie Maggie ein wenig helfen.« Tony fand, das war das Mindeste, was die junge Frau tun konnte. »Maggie hat viel um die Ohren.«
»Aber mein Vater wird Sie bezahlen!«, rief Arabella bestürzt. Der Gedanke, Dienstbotenarbeit verrichten zu müssen, erschreckte sie. »Ich bin doch keine Hausangestellte!«
Tony hielt Arabella schlicht für faul. Er warf Maggie einen bedeutungsvollen Blick zu.
»Das alles ist ja schön und gut«, sagte er, »aber falls die Geschichte stimmt, die Sie Maggie erzählt haben, wird keiner damit rechnen, dass Sie noch leben. Hätten die Aborigines Sie nicht gefunden, wären Sie in der Wüste umgekommen. Eine zweite Nacht dort draußen hätten Sie nicht überstanden.«
Arabella starrte ihn fassungslos an. Wie konnte er etwas so Grausames sagen?
»Falls Sie hierbleiben und warten wollen, bis der Zug wieder fährt, werden Sie Maggie zur Hand gehen«, sagte Tony mit Bestimmtheit.
Er meinte es ernst, das konnte Arabella ihm ansehen, und sie wusste, sie war ihm ausgeliefert. Ihr blieb gar keine andere Wahl, als auf die Bedingungen der McMahons einzugehen. Und es hatte ganz den Anschein, als wollten die beiden sie zu ihrer Sklavin machen. Der einzige Ausweg war, jemanden zu finden, der sie nach Alice Springs brachte.
»Ist dieser Afghane, mit dem Sie gesprochen haben, noch in der Stadt?«, fragte Arabella hoffnungsvoll.
Tony nickte. »Faiz Mohomet wird sich ein paar Tage in der Ghan-Siedlung aufhalten.«
»Könnten Sie ihn vielleicht herholen, damit ich mit ihm reden kann?«
»Jetzt gleich?«
Arabella nickte.
Tony sah Maggie an, die mit den Achseln zuckte. »Meinetwegen«, erwiderte er dann.
Als er fort war, wollte Maggie wissen, warum sie den Straßenhändler sehen wolle.
»Ich werde ihn bitten, mich nach Alice Springs zu bringen«, sagte Arabella aufgeregt. »Ich weiß nicht, warum ich nicht schon eher darauf gekommen bin!«
Sosehr Maggie sich auch bemühte – sie konnte sich Arabella beim besten Willen nicht auf dem Rücken eines Kamels vorstellen.
Kurz darauf kam Tony zurück. Faiz Mohomet warte draußen, sagte er und
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