Im Tal der flammenden Sonne - Roman
Er ist gerade vom walkabout zurück und stirbt fast vor Hunger. Ich habe ihm gesagt, dass er Sie zu Tode erschreckt hat. Es tut ihm leid. Er wollte bloß etwas zu essen und hat nicht gewusst, wer Sie sind. Ich hab ihm gesagt, ich kann ihm nur noch ein paar verbrannte Steaks anbieten, aber das macht ihm nichts, er nimmt sie gern.« Maggie schnitt zwei Scheiben Brot ab und klemmte die Steaks dazwischen. »Dann sind sie wenigstens weg, und Tony kriegt sie nicht zu Gesicht.« Sie trug die belegten Brote zur Hintertür hinaus.
Arabella folgte ihr zaghaft. Draußen stand ein dürrer Aborigine. Das war nicht der Mann, dessen Gesicht Arabella am Fenster gesehen hatte. »Ist sonst noch jemand hier draußen?«, fragte sie Jack über Maggies Schulter hinweg.
Er schien zu überlegen, was er darauf antworten sollte. »Nein, Missus«, sagte er dann, nahm sein Essen dankbar entgegen und wandte sich zum Gehen. Sekunden später hatte die Dunkelheit ihn verschluckt.
Die beiden Frauen kehrten in die Küche zurück.
»Maggie«, flüsterte Arabella verängstigt, »Jack war nicht der Mann, den ich am Fenster gesehen habe!«
Maggie klaubte die Scherben aus dem Spülbecken. »Hören Sie auf mich, Arabella, und entschuldigen Sie sich bei Wally. Oder reden Sie mit seinen Freunden. So oder so – bringen Sie die Sache ins Reine, damit endlich Ruhe ist.«
Arabella wusste, dass sie in dieser Nacht kein Auge zutun würde. Sie wünschte, Jonathan wäre da, damit sie jemanden zum Reden hätte. Er war nur wenige Stunden nach Stuart Thompson aufgebrochen, und auch Stuart würde erst in ein oder zwei Tagen zurück sein. Arabella fühlte sich einsamer als je zuvor.
Sie lag lange wach und lauschte angespannt auf jedes Knarren und Ächzen. Ihre Beklommenheit wuchs stetig. Schließlich stand sie auf und trat hinaus auf den Balkon. Sie hatte kein Licht gemacht. Sollte jemand sich unten auf der staubigen roten Straße aufhalten, würde er sie bestimmt nicht sehen. Eine Zeit lang stand sie regungslos da und ließ den Blick in die Ferne schweifen. Im Mondlicht konnte sie hüpfende Kängurus erkennen, und dann und wann einen Emu.
Am Rand ihres Blickfelds nahm sie plötzlich eine Bewegung unten auf der Straße wahr. Starr vor Angst beobachtete Arabella, wie ein Mann auf das Hotel zukam. Sie wagte kaum zu atmen. Arabella fürchtete, den Kerl auf sich aufmerksam machen, wenn sie in ihr Zimmer flüchtete. Der Mann war Wally Jackson. Dieses Mal war sie sich hundertprozentig sicher. Sie erkannte ihn am Gang, an seiner Gestalt, an der Form seines Huts. Das Hotel hatte früh geschlossen, wie montags und dienstags üblich, deshalb waren seine Kumpel längst gegangen. Als Wally nur noch wenige Meter vom Haus entfernt war, blieb er stehen, hob den Kopf und sah nach oben. Arabella kam es so vor, als bohrte sein Blick sich in ihre Augen. Voller Angst fragte sie sich, ob er wohl wusste, welches Zimmer ihres war. Auf einmal bückte er sich, hob etwas vom Boden auf und schleuderte es in ihre Richtung. Ein Stein prallte nur wenige Zentimeter neben ihr gegen die Fassade, und sie schrie erschrocken auf. Endlich löste sie sich aus ihrer Erstarrung, rannte in ihr Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Schluchzend warf sie sich aufs Bett, rollte sich zusammen und zog sich die Decke über den Kopf.
8
Am nächsten Morgen erkundigte Arabella sich bei Maggie, wo Wally Jackson wohnte.
»Wieso interessiert Sie das?«, fragte Maggie verwundert.
»Ich will mit ihm reden«, antwortete Arabella. Sie hoffte inständig, dass der Mut sie nicht verließ.
»Sie werden sich bei ihm entschuldigen?«
»Ja. Er hat es zwar nicht verdient, aber ich tue es trotzdem … Ihnen und Tony zuliebe.« Arabella war viel zu stolz, als dass sie den wahren Grund für ihren Sinneswandel eingestanden hätte: Sie fürchtete sich. Sie hatte den McMahons nichts von dem Vorfall vergangene Nacht erzählt, aus Angst, Tony könnte sie womöglich hinauswerfen, wenn er davon erfuhr. Es wäre ihre Schuld, wenn sein Hotel beschädigt würde.
»Sie tun das Richtige, Arabella, nicht nur unseretwegen«, sagte Maggie.
»Ist der Constable zurück?«
»Nein, aber er müsste jeden Tag kommen. Warum?«
»Falls Wally meine Entschuldigung nicht annimmt und versucht, mir etwas anzutun, werde ich Anzeige gegen ihn erstatten.«
»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun«, riet Maggie. »Damit machen Sie alles nur noch schlimmer.«
»Schlimmer kann es wohl nicht werden«, versetzte
Weitere Kostenlose Bücher