Im Tal der Mangobäume
überraschte Jasin nicht. Er erwog, in einem der Hotels der Stadt sein Mittagessen einzunehmen, verwarf den Gedanken aber wieder, als ihm einfiel, dass er dann bis zur Rückkehr ins Krankenhaus immer noch ein paar Stunden überbrücken müsste, und entschloss sich deshalb, zu Hause zu essen. Der Heimritt dauerte nur eine halbe Stunde, und er fand noch immer Gefallen an dieser hügeligen Landschaft mit ihren ruhigen Tälern und großartigen hohen Gummibäumen. Als er Montone erreicht hatte, nahm er eine Abkürzung querfeldein und kam dabei an dem kleinen Friedhof vorbei, auf dem er vor Jahren nach dem Überfall Mrs.Moore, die Köchin, und fünf seiner Viehhüter begraben hatte. Er salutierte ihnen, ritt durch einen seichten Bach und dann hügelaufwärts auf das Farmgebäude zu.
Der Ritt hob seine Laune, sehr sogar, und nun hatte er Hunger. Er übergab sein Pferd einem Stallburschen, marschierte zum Haus und dachte sich, dass er zusammen mit einem Krug Bier vielleicht ein wenig Aufschnitt und heiße gebutterte Kartoffelscheiben essen könne. Er schob die Seitentür auf und wäre um ein Haar mit einer Frau zusammengestoßen, und nicht nur das, mit einer aufregenden Frau!
Sie stieß einen Schrei aus und machte einen Satz nach hinten. Der völlig überraschte Jasin wich ebenfalls zurück und brach dann, als er Mrs.Palliser erkannte, in Entschuldigungen über seine Unbeholfenheit aus. Allerdings nicht, bevor etwas zwischen ihnen ihm den Atem geraubt hatte, obgleich sie sich lediglich flüchtig berührt hatten. Eine Sekunde, nur eine Sekunde lang, hatte er auf diesem beschränkten Raum, als sie so eng voreinander gestanden und sich angesehen hatten, etwas Magnetisches gespürt. Dann waren sie auseinandergestolpert. Das Ganze erschreckte ihn. Noch nie war ihm etwas Derartiges widerfahren.
»Verzeihen Sie, bitte«, brachte er noch einmal heraus und setzte dann in einem verzweifelten Versuch um Ungezwungenheit lächelnd hinzu: »Bitte gehen Sie Ihres Weges, Mrs.Palliser! Schauen Sie doch, die Tür ist sperrangelweit offen, und es gibt keinerlei Hindernisse. Diesmal versuche ich, mich Ihnen nicht mehr in den Weg zu stellen.«
Sie errötete, trat durch die Tür hinaus und wandte sich noch einmal um.
»Um Himmels willen, Lord Heselwood! Ich bin diejenige, die sich entschuldigen muss. Wie geht es Lady Heselwood?«
»Sie ruht sich nun aus, Gott sei Dank«, sagte er. »Wir sind Ihrem Mann alle äußerst dankbar. Tatsächlich ist die Ärzteschaft so beeindruckt, dass sie ihn gebeten hat, noch einige weitere Operationen durchzuführen.«
Siedendheiß fiel ihm ein, dass er Mrs.Palliser völlig vergessen hatte, und, wie es aussah, Mr.Palliser ebenso. Er bemühte sich, die Scharte auszuwetzen.
»Es war eine Schande, dass wir Sie heute Morgen hier allein zurücklassen mussten«, erklärte er. »Ich hoffe doch, Sie haben sich nicht allzu sehr gelangweilt.«
In diesem Augenblick kam Mrs.Ansell zu ihnen. »Oh, Euer Lordschaft, ich habe mir schon gedacht, dass die Herren zum Mittagessen heimkehren würden. Sie schließen sich ihnen an, nicht wahr, Mrs.Palliser? Sie hat bislang nur einen kleinen Happen gegessen. Ich trage auf, sobald Sie bereit sind, Euer Lordschaft. Ich habe ein feines Rindfleisch und Zwiebelpastete gemacht.«
Derart zurück ins Haus zitiert, gehorchte Rosa ergeben. Ihr Gastgeber, der noch immer die Tür aufhielt, rief Mrs.Ansell zu: »Mr.Palliser ist zum Essen nicht da. Ist Edward schon zu Hause?«
»Nein, Sir.«
»Na schön«, sagte er. »Dem Himmel sei Dank, dass Mrs.Palliser hier ist, sonst müsste ich allein speisen, und das tue ich nur höchst ungern.«
»Das stimmt«, erklärte die Haushälterin Rosa, deren Wangen wieder rosig angehaucht waren.
Jasin, noch immer verwirrt durch den Vorfall an der Tür, überlegte, ob es ihr ebenso ergangen war. Aber er hätte nicht im Traum daran gedacht, sie zu fragen. Bestimmt hätte sie ihn für verrückt gehalten. Oder schlimmer, für einen Wüstling. Dann wiederum konnte ihr auffallen, dass er vom Alter her fast ihr Vater sein könnte.
Beim Essen bemühte er sich sehr, sich ihr gegenüber freundlich, aber distanziert zu geben. Und erkundigte sich sogar nach ihrem Vater.
»Ihm geht es gut, danke, Lord Heselwood. Er findet sich mit Dolours Tod allmählich ab.« Unvermittelt blickte sie auf, als hätte sie sich gerade wieder daran erinnert, ihn bei dem Trauergottesdienst gesehen zu haben. »Ich wusste gar nicht, dass Sie sie kannten«, fügte sie hinzu.
»Ah,
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