Im Tal der Mangobäume
noch passen? Was machte man unter solchen Umständen?
Georgina bewegte sich und blickte ihn an. »Edward, wie lange sitzt du denn da schon?«, sagte sie und lächelte.
»Nicht lange, Mutter.« Er erhob sich und küsste sie auf die Stirn. »Wie fühlst du dich?«
»Ein bisschen benebelt, aber sonst ist alles in Ordnung, glaube ich.«
»Tut es weh? Dein Bein, meine ich. Es ist doch nicht zu weit hochgezogen, oder? Sonderlich bequem sieht es nicht gerade aus.«
»Keine Bange. Daran gewöhnt man sich bestimmt. Es hat ja alles seinen Sinn. Ich habe beschlossen, von einem Tag zum nächsten zu denken.«
Er wollte unbedingt helfen. »Möchtest du einen Tee? Oder Wasser oder irgendetwas? Soll ich eine Krankenschwester rufen? Jemand anderes?«
»Nein, Liebes. Ich ruhe mich einfach eine Weile aus.«
»O Gott, störe ich dich etwa? Möchtest du, dass ich gehe? Damit du dich ausruhen kannst?«
»Natürlich nicht. Ich muss sagen, du siehst sehr schick aus. Kenne ich diese Weste schon?«
»Ich glaube nicht.« Er nahm ihre Hand. »Mutter, ich muss mit dir sprechen. Ich möchte dir sagen, wie leid mir das alles tut. Dein Bein …«
Sie lächelte. »Das kann man nicht ändern. Dass diese niederträchtige Frau sich eingemischt hat, war einfach Pech. Sonst wäre ich längst wieder auf den Beinen.«
»Nein«, erwiderte er. »Das meine ich nicht, sondern dass es mir so schrecklich leidtut, dass ich deinen Sturz verursacht habe.«
»Schatz, red keinen Unsinn! Ich bin gestolpert, das ist alles.«
»Weil ich gerade etwas Dummes tat. Ich habe gehört, wie du mir etwas zugerufen hast, und ich weiß, dass du gestürzt bist, weil du mich davon abhalten wolltest.«
»Bitte, Edward, sag so etwas nicht. Es stimmt nicht.«
»Doch, es stimmt, und ich möchte, dass du weißt, wie sehr ich es bedaure. Ich werde mir nie verzeihen, was für ein Narr ich war. Ich weiß, dass ich dir vor Jahren viel Schmerz und Schande zugefügt habe, und ich hatte gehofft, ich würde es nun gutmachen können. Und jetzt bin ich wieder nur ein Nichtsnutz!«
»Ach was. Ich bin gestolpert, Edward, und damit genug. Man kann etwas bedauern, das tut jeder, aber einmal muss auch Schluss sein. Und nun möchte ich, dass du mir nachsprichst: Was geschehen ist, ist geschehen. Komm jetzt, sag es: Was geschehen ist, ist geschehen!«
Er flüsterte die Worte mit ihr und fragte sich dabei, ob sein Vater die Angelegenheit je auch so sähe. Er erinnerte sich an Jasins Zorn, als er von der Ungehörigkeit seines Sohnes gegenüber Dolour MacNamara gehört hatte, wie sie damals noch hieß. Es war dumm … ja, unverzeihlich, aber er war sehr betrunken gewesen und wollte sich vor den beiden Viehhütern aufspielen.
»Ich habe Dolour angefleht, von ihrem Wunsch, dass du die Kolonie verlässt, Abstand zu nehmen«, hatte seine Mutter gesagt. »Aber sie konnte sehr hart sein und war durch nichts davon abzubringen.«
»Da hat sie auch recht!«, hatte Jasin gebrüllt. »Schick ihn nach England, diesen nutzlosen Flegel! Dann sind wir ihn los!«
Sein Vater war nicht einmal zum Schiff gekommen, um sich von ihm zu verabschieden. Nun gab er ihm die Schuld an Georginas misslicher Lage. Und wieder hatte er recht. Wütend fragte Edward sich, wie es sein musste, ein derart vollkommener Mensch wie Lord Heselwood zu sein.
Genau in diesem Augenblick betrat der große Mann das Zimmer. Er küsste seine Frau, warf seinem Sohn einen verächtlichen Blick zu und befasste sich dann mit der Vorrichtung, wie er es nannte, die ihr Bein hochhielt.
»Clem ist draußen«, erklärte er Georgina. »Er würde sich gern diese Schlinge ansehen, um sie für zu Hause nachzubauen. Darf er kurz hereinkommen?«
»Wer ist hier? Clem? Kommt er zurück nach Sydney mit uns?«
»Nein!« Jasin war verwirrt. »Nein, zurück nach Montone. Du kannst nicht nach Sydney reisen.«
Sie seufzte. »Seit Dr.Pallisers Ankunft denke ich über nichts anderes nach. Du kannst mich mit der Kutsche nach Maryborough bringen …«
»Unmöglich. Du hast doch gesehen, wie schwierig es war, dich in der Kutsche hierher zu bringen. Und wie beschämend.«
Georgina gab keine Antwort. Der letzte Teil dieser Reise war entsetzlich gewesen. Wegen des Beines hatte sie Qualen ausgestanden, denn mochte die Kutsche auch gut gefedert sein, so waren die holprigen Straßen es nicht. Obendrein hatte sie, nicht lange nachdem man sie – noch immer ohne Bewusstsein – in die Kutsche verfrachtet hatte, auf die Toilette gemusst, was schwierig war, da
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