Im Tal der Mangobäume
Vater ist nicht da, deshalb bin ich die alleinige Gastgeberin. Soll ich dich abholen? Damit du keine Kutsche kommen lassen musst? Ja, das mache ich. Ich hole dich um halb fünf ab. Zieh ein hübsches Kleid an, es wird ein schöner warmer Abend …«
Sie hatte kaum einmal Atem geholt!
Rosa lachte. »Ja, gut, ich komme. Und ja, du kannst mich abholen. Das ist eine gute Idee. Möchtest du nicht doch auf einen Kaffee hereinkommen?«
»Nein, Liebes, ich habe keine Zeit.
Au’voir!«
Larks Kutsche rollte aus der Zufahrt und Rosa ging wieder ins Haus. Sie wunderte sich, was aus der Einladung geworden war. Sie hatte sich mit Charlie öfter wegen Lark gestritten. Er konnte sie nicht leiden, es widerstrebte ihm, dass sie in sein Haus kam, und er verwahrte sich strikt dagegen, dass Rosa sich in der Öffentlichkeit mit ihr sehen ließ.
»Selbst wenn ich es wollte, ich kann die Freundin meines Vaters nicht vor den Kopf stoßen«, hatte sie gesagt. »Es würde ihn kränken.«
»Freundin? Du meinst sein Flittchen. Er hat dich ohne jedes Gefühl für Anstand erzogen, Rosa. Wo hättest du es lernen können? Er kehrt mit seiner kleinen Tochter an einem Arm und dieser Mrs.Pilgrim am anderen Arm in die Kolonien zurück. Um Gottes willen, siehst du denn nicht, was das für ein Skandal war! Und jetzt lässt er sie bei sich …«
»Charlie, hör auf, ich bitte dich. Was mein Vater tut, geht dich nichts an.«
»Es geht mich sehr wohl etwas an. Du hast doch hoffentlich nicht vor, sie zum Essen in mein Haus einzuladen?«
Rosa wurde zornig. »Droh mir nicht, Charlie. Mein Vater ist hier stets willkommen, einerlei, wen er sich als Begleitung aussucht. Er schert sich nicht um banale Gesellschaftsregeln, und hier im Hinterland schon gar nicht.«
»Oh, da irrst du dich aber. Er ist im Grunde sehr konservativ, doch er meint, mit seinem Reichtum kann er sich die Freiheit kaufen zu tun, was ihm gefällt. Aber das kann er nicht. Anständige Leute werden ein derartiges Benehmen nicht billigen.«
»Ach, spiel dich nicht so auf. Sag mir nur eins: Ist mein Vater hier willkommen?«
»Selbstverständlich.«
»Und kann er seine Freundin mitbringen?«
»Selbstverständlich nicht.«
»Dann schlage ich dir vor, es ihm zu sagen, wenn sie am Sonntag zum Essen kommen.«
»Du hast sie für Sonntag eingeladen, ohne es mit mir zu besprechen?«
»Ja«, sagte sie triumphierend. »Ich möchte zu gern sehen, wie du sie abweist.«
»Das ist nicht nötig, ich werde andernorts unabkömmlich sein.«
Nach Rosas Überzeugung hatte ihr Mann Larks Einladung vernichtet, um zu verhindern, dass sie an der kleinen Gesellschaft teilnahm. Sie versprach sich nicht viel davon und hätte vielleicht nicht zugesagt, doch weil Charlie ihre Verabredungen neuerdings kontrollierte, wollte sie unbedingt hingehen.
»Und ich sorge dafür, dass er es erfährt«, gelobte sie sich. Sie stand in ihrem Ankleidezimmer und konnte sich nicht entscheiden, welches von ihren zahlreichen Nachmittagskleidern sie zu diesem Anlass anziehen sollte.
Nach einem wohltuenden, mit Duftölen angereicherten Bad feilte und polierte sie ihre Fingernägel und blätterte dabei in einer Modezeitschrift, dann trat sie an den Kleiderständer und wählte ein mit Blümchen verziertes Kleid aus cremefarbener Lyonseide. Es hatte einen eleganten Ausschnitt, der viel von den Schultern zeigte, die Taille wurde durch eine Tournüre betont, die weich fallenden Falten waren hinten etwas länger als vorne.
Ihr Mädchen bürstete ihr die Haare lose ums Gesicht und steckte sie dann mit perlenverzierten Kämmen hoch.
»Das muss genügen.« Rosa hielt es nicht für angebracht, sich zu diesem Anlass groß herauszuputzen. »Ich nehme nur die kleinen Perlenohrringe.«
Während sie auf Lark wartete, dachte sie sorgenvoll an das Essen am Sonntag. Juan und Lark waren eingeladen, daran ließ sich nichts ändern. Aber würde Charlie wirklich abwesend sein? Sicherlich nicht. Juan würde sehr unangenehm auf eine derartige Brüskierung reagieren. Seitens der Familie! Bei diesem Gedanken zitterte sie ein wenig.
»Das wird ein seltsames Ende einer verrückten Woche«, sagte sie sich.
Anfang der Woche hatte sie einen Brief von Langley Palliser erhalten, der über die zunehmenden Querelen zwischen den Aborigines und den europäischen Siedlern dermaßen besorgt war, dass er erwog, seine Frau und seine Töchter aus der Gefahrenzone nach Brisbane zu schicken.
Brisbane hieß, in das Haus seines Bruders, und Rosa hatte nichts
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