Im Tal der Mangobäume
Gesellschaftsseiten erinnerten sie an ihren verstorbenen Ehemann. Russ Bartling war ein sehr attraktiver Mann gewesen, äußerst amüsant, ein richtiger Salonlöwe. Als er um ihre Hand anhielt, hatte sie sich ungemein geschmeichelt gefühlt und nur zu gern ja gesagt. Doch dann hatte Mr.Kent, ein alter Freund ihres verstorbenen Vaters, ihr zugeflüstert, sie solle sich mit den Hochzeitsvorbereitungen »Zeit lassen«, da ihm zu Ohren gekommen sei, ihr Verlobter sei nicht der Ehrlichste. Und schlimmer, sie entdeckte, dass er verschiedenen Handwerkern Geld schuldete.
Törichterweise hatte sie die Warnungen in den Wind geschlagen, weil sie verheiratet sein wollte. Sich ein eigenes Heim wünschte. Zu dem es dann sowieso nicht gekommen war … Sie hatten eine schmuddelige Wohnung in Brisbane bezogen, und immer hatten nur ein paar Pfund zum eigenen Haus gefehlt. Zu dem es käme, sobald man ihm das Geld gegeben hätte, das andere ihm schuldeten. Sobald er Land verkauft hatte, das er außerhalb Brisbanes besaß. Oder sich seine Goldmine bezahlt machte.
Am Ende konnten sie die Miete nicht mehr bezahlen und waren nach nur drei Jahren gezwungen, zu Milly ins Haus zu ziehen.
Dafür hatte Lucy Mae ihn gehasst. Und wie! Als das Schiff unterging, hatte sie außer Trauer für die vier anderen verunglückten Passagiere nichts empfunden.
Nun setzte ihre Mutter alle Hebel in Bewegung, um sie wieder unter die Haube zu bringen, und Lucy Mae fand ihre Bemühungen entsetzlich peinlich. Könnte sie doch fortgehen, irgendwohin, ohne die Ehe wieder als Fahrkarte einsetzen zu müssen!
Sie hörte Milly kreischen und befürchtete kurzzeitig, es wäre etwas passiert, aber da kam ihre Mutter auch schon mit raschelnden Taftröcken hereingerannt.
»Er ist da! Duke! Er kommt gerade die Einfahrt hoch! Du meine Güte, ich wusste, er würde kommen! Was für ein lieber Junge!«
* * *
Die kleine Abendgesellschaft verlief angenehm: Mrs.Forrest scharwenzelte um Duke herum, und Lucy Mae beobachtete es mit einem Anflug von Belustigung.
Zuerst hatte er gedacht, die beiden Damen würden aus Achtung vor seiner verstorbenen Mutter noch immer Trauer tragen, doch dann erinnerte er sich, dass Lucy Mae ja Witwe war.
»Es hat mir so leidgetan zu hören, dass dein Mann bei dem Schiffbruch der
Eastern Star
ums Leben kam, Lucy Mae. Wirklich. Es muss ein schrecklicher Schlag für dich gewesen sein.«
Sie nickte, eigentlich mehr ein Achselzucken, und dankte ihm. Er spielte mit dem Gedanken, ihr zu sagen, wie gut sie aussehe, besann sich aber eines Besseren, dankbar, dass Mrs.Forrest Sherry servieren ließ und dann darauf bestand, ihm die Umbauten am Haus zu zeigen, die sie veranlasst hatte – eine breite Veranda mit Blick auf den terrassierten Garten, der sich bis zum Fluss hinunterzog.
»So etwas könnten wir in Kooramin auch machen«, sagte er. »Oder zumindest könnte John Pace das. Meine Tage dort sind gezählt.«
»Ach ja? Wohin geht es denn?«, erkundigte sich Mrs.Forrest.
»Hoch in den Norden, um Pauls Farm einen Besuch abzustatten und mir die Landschaft dort anzusehen.«
»Ich habe keine Ahnung, wie man dort oben leben kann. Hier ist es doch schon heiß genug.«
»Das werde ich dann herausfinden«, erwiderte er.
»Meinst du damit, dass du überhaupt nicht mehr nach Kooramin zurückkehren wirst?« Lucy Mae strich sich eine Strähne aus der Stirn.
»Genau. Es ist Zeit für eine Veränderung. Übrigens, wo sind denn deine Locken abgeblieben?«
»Oh, sie frisiert sie neuerdings immer zu einem Knoten zurück«, erklärte ihre Mutter. »Und ruiniert sich damit das Haar!«
»Das ist kein Knoten, so etwas nennt man Chignon, Mutter. Und meinem Haar schadet es kein bisschen.«
»Sieht todschick aus, finde ich«, kam Duke ihr zu Hilfe. »Steht dir, Lucy Mae!«
Und das schwarze Kleid ebenso, dachte er. Die Ehe muss dir gutgetan haben. Seltsam, dich jetzt als Witwe zu betrachten. Und so ausgesprochen erwachsen.
Ohne gegen die Anstandsregeln zu verstoßen, schließlich waren sie ja alle in Trauer, gelang es Mrs.Forrest, den Abend vergnüglich zu gestalten. Wie gewöhnlich bestritt sie den Großteil der Unterhaltung, und Duke genoss die Auswahl an Desserts, die nach dem Hauptgang serviert wurden, der aus Schweinebraten mit Kräuterkruste bestanden hatte. Da er sich nicht entscheiden konnte, welches er nehmen sollte, brachte Lucy Mae ihm von jedem eine kleine Portion und dazu Unmengen von Sahne.
Nach dem Mahl – sie hatten sich inzwischen in den
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