Im Tal der Mangobäume
aufgehenden Sonne im Osten deutete. Dann wandte er sich um.
»Schau!«
Der Händler, der noch immer den Baum umklammerte, drehte sich vorsichtig um und starrte unversehens in den Schlund einer breiten Höhle.
Gemeinsam betraten sie den riesigen, stillen Raum mit seiner niedrigen Decke. Ihre geflüsterten, ehrfurchtsvollen Worte klangen wie das Brummen eines Didgeridoos. Als Ladjipiri über Geröll behutsam tiefer in die Höhle drang, meinte er zu schrumpfen. Unvermittelt fühlte er sich wie ein winziges Lebewesen, nicht größer als eine Biene.
Und doch war sein Schatten noch immer vorhanden. Ein langer Schatten.
Verwirrt stolperte er zum Eingang zurück und sah das Gemälde eines weißen Strichmännchens an der Wand, das einen Mann an einem Wasserloch mit einer Palme dahinter darstellte. Der Mann lag am Boden. Er schien tot zu sein. Und die Szene wirkte real, als würde vor ihm wirklich ein Toter liegen. Erschrocken floh er.
Nach einer Weile konnte Murrabung ihn überreden, in die Höhle zurückzukehren.
»Du bist von weit her gekommen. Da willst du doch jetzt nicht gehen. Hier gibt es keine bösen Geister. Ich nehme dich an der Hand. Versuch es noch einmal.«
»Nein. Könnte sein, dass ich für diesen Ort die falsche Haut habe?«
»Nein. Du hast die Erlaubnis. Das reicht. Und nun komm.«
Ladjipiri kehrte in die Höhle zurück und besah sich die Wand, an der das Gemälde zu sehen gewesen war, aber es war verschwunden.
»Du hast es dir eingebildet«, lachte Murrabung. »Hast dir selbst einen schönen Schrecken eingejagt, was? Jetzt sieh her. Dieser alte Mann an der Wand hier, der jagt ein großes rotes Känguru mit einem Stock, bekommt es aber nie zu fassen. Und dieser große, hünenhafte Geistermann mit dem runden Kopf, der ist mächtig.«
Tiefer in der Höhle sahen sie immer mehr Gemälde von Menschen, Tieren und Ereignissen und manchmal sogar Traumzeitgeistern, denn Ladjipiri wusste, dass sie vor unendlicher Zeit gemalt worden waren.
»Warum halten die Gemälde so lange?«, wollte er wissen.
»Weil die Ockerfarbe so fein ist, dass sie in diese besondere Felsart eindringt und nicht nur auf der Oberfläche haftet. Sie wird Teil des Felsens und nur das Wetter kann ihr etwas anhaben. Aber das gibt es hier nicht.«
»Ach so! Das wusste ich nicht.«
Er setzte seinen Weg fort und bewunderte die alten Malereien und ihre Geschichten, bis Murrabung ihm etwas zurief.
»Bleib, wo du gerade bist.«
Besorgt, er könnte gegen eine Regel verstoßen haben, blieb Ladjipiri abrupt stehen.
»Nun leg dich hin.«
»Ich soll mich hinlegen?«
»Ja. Auf den Rücken.«
»Wieso?«
»Tu es einfach.«
Aus Angst, es käme einer Beleidigung gleich, es nicht zu tun, legte er sich hin und streckte sich aus. Es war unangenehm, mit der bloßen Haut auf Staub und Geröll zu liegen, und als er scharfe Stückchen fortschob, zog er eine Grimasse. Doch dann entdeckte er mit einem Mal das Gemälde an der Decke über ihm.
Es war ein riesiger Vogel mit Fledermausflügeln, der jedoch den Körper eines fetten Tieres und eine lange Schnauze mit Reihen scharfer Zähne besaß.
Den Händler überkam Ehrfurcht, und zwar nicht allein wegen der Größe des Gemäldes, sondern auch aufgrund des Dargestellten. Erstaunt stellte er fest, dass die großen gelben Augen des Vogels gerade nach vorn gerichtet waren, als würde er in seinem Flug nicht gestört werden wollen.
»Was ist das?«, japste er.
»Ein Traumzeitvogel. Es heißt, dieser Vogel und viele andere seltsame Tiere seien in dieser Welt umhergezogen, ehe das Wasser knapp wurde.«
Ladjipiri nickte. »Dieser Vogel könnte ein ganzes Wasserloch leeren.«
Der Rückweg zum Lager dauerte einen halben Tag, und doch war Ladjipiri noch immer erfüllt von Erstaunen. Noch nie war er der Gegenwart von Geistern so nahe gekommen, und diese Erfahrung hatte sein Herz bewegt und ihn verändert. Inwiefern, konnte er nicht sagen, aber am Morgen darauf fühlte er sich anders, klarer im Kopf, und ihm war, als sähe er die Welt mit neuen Augen.
»Was siehst du denn nun Neues?«, fragte er sich. »Du wirst allmählich weibisch, überreizt. Das erzählst du besser niemandem, sonst holen sie noch einen Medizinmann, um dich zu heilen.«
Der Tag erwachte, und weil die Entfernung nicht so groß war und man ihm versichert hatte, auf solchen Zusammenkünften laufe der Verkauf gut, belud der Händler seine Söhne mit großen Schilden, auf die er Werkzeug und Beutel mit von hiesigen Frauen angefertigten
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