Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
sie Josh am besten sagen konnte, dass sie nicht mehr mit ihm ausgehen wollte. Sie waren mehr als ein Dutzend Mal miteinander ausgegangen, und überraschenderweise hatte sich Josh gut benommen. Sie hatte erwartet, dass er sie nach der zweiten Verabredung anbaggern würde, was er jedoch nicht getan hatte. Wenn es so gewesen wäre, wäre es leichter für sie gewesen, aber im Grunde war er ein beinahe perfekter Gentleman gewesen. Sie fühlte sich allerdings keineswegs von ihm angezogen, und sie glaubte auch nicht, dass das jemals der Fall sein würde. Mehr als Freundschaft war für sie nicht drin.
Trotzdem hatte sie sich aus eigennützigen Motiven weiterhin mit ihm getroffen. Sam und Josh kamen nämlich wunderbar miteinander aus. Sie hatte oft Schuldgefühle, weil ihr Sohn kein männliches Vorbild hatte, zu dem er aufschauen konnte und das ihm Dinge beibringen konnte. Paul, der Sundown Crossing regelmäßig einen Besuch abstattete und gerne mit Sam Ball spielte, war in dieser Hinsicht natürlich auch ganz nützlich. Sie wusste, dass es Josh gegenüber nicht fair war, sich weiterhin mit ihm zu treffen.
»Ich rufe Sam besser rein. Es wird schon dunkel, und er muss vor dem Schlafengehen noch baden.« Sie lachte kurz,
während sie aufstand und auf die Hintertür des Cottages zuging. »Er wird alles Mögliche tun, um dem zu entrinnen.«
»Ein typischer Junge«, sagte Josh grinsend. »Als ich heranwuchs, musste Mum sechs kleine Kinder baden und füttern. Manchmal vergaß sie mich, weil sie sich um all die anderen kümmern musste. Dadurch konnte ich mich manchmal zwei oder drei Tage um das Baden herumdrücken.«
Carla verschwand auf der hinteren Veranda und rief nach ihrem Sohn, der nach einer Weile widerwillig antrabte, dann aber ohne nennenswerten Protest im Badezimmer verschwand.
In den letzten Monaten hatte sie ziemlich viel über Joshs Kindheit erfahren. Er war auf einer Apfelfarm in Tasmanien aufgewachsen und war der zweitjüngste von sechs Söhnen gewesen. Er hatte schon früh geheiratet, aber die Ehe war bereits nach zwei Jahren geschieden worden. Er war in Australien herumgereist und hatte etliche Jobs gehabt. Unter anderem hatte er in einem Bergwerk gearbeitet und als Rausschmeißer für einen Nachtclub in Melbourne. Er hatte ständig seine Jobs gewechselt, aber jetzt lebte er schon einige Jahre im Barossa Valley.
Ihr Vater hätte Josh als ungeschliffenen Diamanten bezeichnet, da er zwar keine besondere Bildung genossen, aber jede Menge Lebenserfahrung hatte. Er versuchte, sich anzupassen und die rauen Kanten seiner Persönlichkeit abzuschleifen. Er hatte viel über Rhein-Schloss geredet, und sie wusste, dass er in der Firma vorankommen wollte. Sie kannte ihn nun gut genug, um zu sehen, dass er einen skrupellosen, berechnenden Charakterzug hatte, wenn er unbedingt etwas wollte. Noch ein Grund dafür, dass sie auf den richtigen Moment wartete. Sie wollte ihn auf diplomatische Weise abwimmeln. Instinktiv wusste sie, dass er
ein erbitterter Feind sein könnte. Und davon gab es weiß Gott bereits genug im Valley.
Erst als sie Sam ins Bett gebracht hatte und sie gemeinsam im Wohnzimmer auf dem Sofa saßen und sich ein langweiliges Fernsehprogramm ansahen, begann Carla mit ihrer Rede. Es sollten höchst peinliche Momente werden.
»Das Dinner war großartig«, kam Josh ihr zuvor. »Ich bekomme nur selten ein selbstgekochtes Essen. Ich lebe alleine und mache mir keine großen Gedanken übers Kochen.«
»Hm, vielen Dank, Josh …«, begann sie vorsichtig. »Ich möchte dir etwas sagen. Es ist nicht einfach für mich, aber es muss gesagt werden.«
Er sah sie an, und sein Gesicht wurde ernst. »Das scheint ziemlich wichtig zu sein.«
»Es geht um uns beide.«
Er grinste sie an, und sein Körper entspannte sich zusehends. »Dann ist es wichtig.«
»Nein. Nun, vielleicht. Siehst du, ich denke …«, sie atmete tief durch. »Wir können uns nicht mehr sehen. Ich möchte keine feste Beziehung mit dir.«
Joshs Gesicht wurde knallrot, und verwirrt runzelte er die Stirn. »Was willst du damit sagen, du möchtest keine Beziehung mit mir?« Sein Ton wurde aggressiv. »Haben wir nicht schöne Zeiten und Spaß miteinander gehabt? Sam mag mich. Ich dachte, du...« Er hielt inne, schluckte und ging zum Angriff über. »Ich habe dich nie angerührt. Er zuckte demonstrativ die Schultern. »Was ist los?«
Carla hatte nicht mit seinem Wutanfall gerechnet. In der einen Sekunde konnte er ganz ruhig sein, in der nächsten bekam er
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