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Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga

Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga

Titel: Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Wilding
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zu sagen, wohin er fuhr, und kam erst spät nach Hause, manchmal sehr spät. Meistens war er dann sehr schlecht gelaunt.
    Tran war vor einiger Zeit neunzehn geworden und betrachtete sich seitdem als Mann, der seiner älteren Schwester nicht mehr zu sagen brauchte, wohin er ging und was er tat - so viel war klar. Ebenfalls klar für sie war, was er tat. Sie erkannte die Zeichen, die sie schon bei ihrem Vater gesehen hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Er spielte. Und sein Beitrag zu ihren Ersparnissen wurde immer
geringer. Dafür hatte er stets eine Ausrede parat. Er sagte, dass er unvorhergesehene Ausgaben hätte, das Motorrad brauche ein neues Ersatzteil, er hätte eine Freundin, er benötigte neue Kleidung.
    Kim war ziemlich sicher, dass er keine Freundin hatte, aber sie hätte es lieber gesehen, wenn in Trans Leben eine Frau gewesen wäre, anstatt von Glücksspielen besessen zu sein. Sie wusste, wie schwer das Leben sein konnte, wenn man von der Sucht besessen war, wie ihr Vater es gewesen war. Einmal, als er seine Schulden nicht begleichen konnte, waren Schläger auf die Farm gekommen, hatten ihn aus der Hütte gezerrt und ihn verprügelt, bis er fast tot war. Sie konnte sich noch gut daran erinnern. Ihre Mutter und die älteren Kinder mussten daraufhin die Arbeit auf der Farm übernehmen, und Kim hatte das Familienoberhaupt wieder gesund gepflegt. Den Zustand ihres Vaters, seinen Unmut darüber, dass er verletzt war, und die Belastung, die auf der Familie gelegen hatte - all das würde sie niemals vergessen. Ihr Mund zog sich zusammen, während sie sich dazu zwang, ihre Erinnerungen zu verdrängen. Das Gleiche würde sie mit Tran nicht noch einmal durchmachen, dessen war sie sich ganz sicher. Tran, Su Lee und sie waren schon zu weit gekommen. Sie hatten den Schmerz erfahren, der mit der Trennung von ihrer Familie verbunden gewesen war, und hatten alles aufs Spiel gesetzt, um in einem neuen Land ein neues Leben zu beginnen. Sie würde nicht zulassen, dass die Schwäche ihres Bruders ihre Zukunft zunichtemachen würde.
    Kim ging durch den Wohnwagen, um nach Su Lee zu sehen. Ihre Schwester schlief fest auf ihrer Seite des Doppelbettes und hielt das Buch, das sie gelesen hatte, immer noch in der Hand. Kim lächelte, während sie ihr das Buch vorsichtig wegnahm und es auf den Nachttisch legte. Das
kleine Mädchen konnte sich glücklich schätzen, denn es konnte zur Schule gehen, dachte sie liebevoll. Su Lee brachte gute Leistungen, sie lernte gerne und war äußerst wissbegierig. Bereits jetzt träumte sie davon, was sie später einmal werden würde. Aber - Kim unterdrückte ein Gähnen, während ihre Gedanken zu ihrem gegenwärtigen Problem zurückkehrten - was würde mit Tran geschehen?
    Als sie ausgewandert waren, um einen Neuanfang zu machen, hatte sie sich ein Versprechen gegeben, von dem sie niemals abweichen würde. Das Leben würde anders werden, besser, als es in ihrem kleinen Heimatdorf und in Saigon gewesen war. Wäre sie immer noch eine Gefangene in dem Bordell oder würde auf den Straßen von Saigon leben, wäre sie wahrscheinlich inzwischen drogensüchtig, in Korruption verstrickt oder krank. Schwester Dinah Sherwood, eine australische Nonne mittleren Alters und Krankenschwester, hatte ihr Leben und letzten Endes ihren Verstand gerettet. Sie leitete ein Heim für Waisen- und Straßenkinder, das auf internationale Spenden und Almosen angewiesen war. Schwester Dinah gab den Kindern Kleidung, Nahrung und eine Ausbildung, kurzum eine Chance auf ein besseres Leben.
    Als sie siebzehn war, hatte eine Gang von Drogenabhängigen Kim zusammengeschlagen, weil sie ihnen kein Geld oder irgendetwas Wertvolles geben konnte, und sie in einer müllverseuchten Gasse zurückgelassen, wo sie bestimmt gestorben wäre - wenn Schwester Dinah sie nicht gefunden und mit ihrem Kombi ins Waisenhaus gebracht und dort gesund gepflegt hätte. Das Leben auf der Straße hatte Kim verwildern lassen, und Schwester Dinah hatte Monate gebraucht, um mit ihrer sanften Art Kims Misstrauen zu durchbrechen und sie dazu zu bringen, dass sie sich öffnete und ihre Geschichte erzählen konnte.

    Dankbar für die Hilfe der Schwester, war Kim im Waisenhaus geblieben und hatte der Nonne und ihrem kleinen Kreis von Angestellten geholfen. Sie hatten ihr Englisch beigebracht, das sie nach einiger Zeit sprechen, lesen und schreiben konnte, und Schwester Dinah hatte sie ermutigt, wieder Kontakt zu ihrer Familie aufzunehmen und bei der australischen

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