Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
Botschaft einen Antrag auf Auswanderung nach Australien zu stellen. Kim hatte auch Tran und Su Lee in ihren Antrag aufgenommen. Die Bearbeitung und Genehmigung des Antrags hatte vier Jahre gedauert. Aber schließlich hatten sie es geschafft, was Schwester Dinahs hartnäckigen Bemühungen bei der australischen Einwanderungsbehörde zu verdanken war. Jetzt waren sie hier, und sie hatte den Wunsch, dass ihr Leben erfolgreich verlaufen würde, und wollte sämtliche Erinnerungen an ihre schlimme Vergangenheit hinter sich lassen.
Seufzend schlug sie die Laken zurück und legte sich ins Bett. Sie war zu müde, um auf Tran zu warten. Sie würde am nächsten Morgen mit ihm reden. Jetzt, wo Carla dabei war, das Weingut wieder aufzubauen, würde alles gut für sie werden. Sie hatten ein Dach über dem Kopf und eine Arbeit, ihre Ersparnisse wuchsen, und Su Lee ging in die Schule. Sie machte das Licht aus, aber dann starrte sie mit weit geöffneten Augen in die Dunkelheit. Sie würde Tran niemals erlauben, ihr Leben zu ruinieren, dafür stand zu viel auf dem Spiel. Seufzend drehte sie sich auf die Seite und schlief ein.
Kim schrie im Schlaf laut auf, und Su Lee schüttelte so lange ihre Schulter, bis sie aufwachte.
»Du hattest wieder diesen bösen Traum, nicht wahr?«, flüsterte Su Lee. Sie umarmte ihre Schwester, als würde das die Dämonen vertreiben.
»Ist schon okay«, beruhigte Kim sie. »Leg dich wieder hin.« Sie wartete, bis Su Lee wieder tief und ruhig atmete, aber nun konnte sie nicht mehr einschlafen. Sämtliche Einzelheiten im Zusammenhang mit ihrer Entführung waren in dem Albtraum erneut hochgestiegen. Blicklos starrte sie in die Dunkelheit, und die Erinnerungen kamen mit Macht wieder …
Als sie sich eingelebt hatte, wurde sie von Tuen, ihrem Entführer, den anderen Frauen und Kindern vorgestellt, die alle unterschiedlich alt waren und in seinem Bordell lebten. Fast ein Jahr lang arbeitete Kim in der Küche und reinigte die Schlafzimmer, bis sich ihr Körper langsam entwickelte. Eine Träne lief über ihre Wange, als sie sich an ihre »Initiation« in die Intimitäten zwischen Mann und Frau erinnerte, und ihre Wangen röteten sich vor Scham und Verlegenheit.
Tuen hatte eine riesige Prämie erhalten, als er einem Kunden eine »Jungfrau« präsentiert hatte, und damit lernte Kim die Wirklichkeit im Bordell kennen.
Als sie zum ersten Mal wegrannte, war sie zwölf. Sie hatte den Zeitpunkt gut geplant und verschwand, als Tuen und zwei seiner Handlanger auf Geschäftsreise waren. Sie irrte drei Tage lang umher, und ab und zu trampte sie auch, um zur Farm ihrer Eltern zurückzugelangen, wo sie jedoch nicht willkommen war. Darüber war sie bitter enttäuscht und traurig. Ihre Mutter eröffnete ihr, sie könne nicht bleiben, und ihr Vater glaubte, dass Tuen zuerst auf der Farm nach ihr suchen würde und dass er ein schlechter Mann sei und der Familie großen Schaden zufügen würde, wenn er sie hier finden würde. Als hätte sie das nicht gewusst!
Es war schwer für sie, dass ihre Eltern sie zurückwiesen. Zwei Tage später entdeckten Tuens Handlanger sie
auf der Straße und nahmen sie wieder mit. Erneut wurde sie geschlagen und musste so lange Hunger leiden, bis sie gefügig war. Tuen warnte sie, dass er sie, wenn sie noch mal weglaufen würde und er sie erneut aufgreifen würde, genau wie Nhat und Su Mai zu einem Junkie machen würde und dass sie, wenn sie erst einmal drogensüchtig war, keinen Willen mehr verspüren würde, ihm zuwiderzuhandeln.
In dem dunklen Wohnwagen setzte Kim sich auf, zog die Beine an und legte die Arme um die Knie. Sie versuchte die Vergangenheit zu verdrängen, aber die Erinnerungen hatten sich tief in ihr eingegraben. Als sie vierzehn war, wusste Kim, dass sie sich auf ihre nächste Flucht besser vorbereiten musste. Sie lebte fast ausschließlich im Bordell, nur ab und zu durfte sie mal in die Stadt gehen. Jeden Tag sah sie mit an, was das Leben im Bordell mit den Frauen machte und wie sehr sie dadurch demoralisiert und letzten Endes zerstört wurden. Mit dreißig sahen die meisten Frauen wie fünfzig aus, ähnlich wie die alte Frau, die sie damals hierher gebracht hatten. Fast die Hälfte der Frauen waren drogensüchtig, und der Rest konnte kaum einen intelligenten Satz zusammenkriegen.
Kim war klug genug, um zu begreifen, dass sie ein ähnliches Schicksal ereilen würde, wenn ihre Flucht scheiterte. Sie brauchte ein Jahr, um sie zu planen und auszuführen. Als Erstes musste
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