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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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wahrscheinlich etwas ahnten. Aber ich wusste nicht, dass mein Vater Val nachstellte, bis Valentine mir erzählte, dass mein Vater Val gezwungen hat zuzusehen, wie er diese Kätzchen ertränkte.«
    Meine Mutter hielt das Kätzchen eng an sich gepresst und streichelte ihm über den Kopf.
    »Also hat Val recht?«, fragte ich. »Er hat dir weh getan … auf diese Art?«
    »Bei einer meiner frühesten Erinnerungen finde ich meinen
Teddybären mit abgerissenem Kopf auf meinem Bett, kurz nachdem ich vor meinem Vater davongelaufen war. Ich versteckte den Bären unter meinem Bett, aber meine Mutter hat ihn trotzdem gefunden. Sie fragte mich nie, was geschehen war, sondern nähte den Kopf einfach wieder an.«
    »Oh, Mom!« Ich spürte, wie mich ein längst vergessener Kindheitsschmerz durchzuckte. Als ich noch sehr klein war, hatte ich meinen geliebten Plastikelefanten auf meinem Bett gefunden, ähnlich misshandelt. Meine Mutter hatte dem Tier zur Strafe für eine meiner kleinen Verfehlungen die Räder, die Ohren und drei der Beine abgerissen. Ich konnte mich nicht erinnern, was ich angestellt hatte, um eine solche Wut in ihr zu schüren, doch der Elefant existierte immer noch. Er lag in einer Kiste mit Spielsachen in meinem alten Zimmer.
    »Er war ein schrecklich gezeichneter Mann«, sagte meine Mutter. »Er hatte eine Gehirnverletzung. Und ein Kriegstrauma. Als ich ihn während seiner Aufenthalte in Shaughnessey besuchte - dem großen Veteranenkrankenhaus -, traf ich Männer, die sich seit dem Ersten Weltkrieg dort befanden. Einige hatten nur noch die Augen und die Stirn, während ihre untere Gesichtshälfte weggesprengt war. Ich erinnere mich, wie mir der Gedanke kam, dass mein Vater diesen Männern glich, ihm ein Teil seines Selbst fehlte, obwohl man die Wunde äußerlich nicht sehen konnte, erst wenn er einen Wutanfall bekam oder ihn seine Ängste packten. Meine Mutter ließ in ihrem Zimmer nachts das Licht brennen. Im Dunkeln weckte ihn selbst das Huschen einer Maus, und er fuhr oft schreiend hoch. Nachtschreck-Attacken, erklärte mir meine Mutter einmal, Erinnerungen an den Krieg, die sich vor seinem geistigen Auge ständig wiederholten. Sie näherte sich ihm nie von hinten, ohne sich zu räuspern, ein kaum hörbares Husten, ein ähm , natürlich immer angemessen leise, aber laut genug, um
ihn wissen zu lassen, dass sie dort war. Wenn sie es nicht getan hätte, wäre er zu Tode erschrocken und auf sie losgegangen. Jedes laute Geräusch, sei es ein Nachbar, der einen Baumstumpf wegsprengte, brachte ihn aus der Fassung. An dem Tag, an dem sie den japanischen Ballon in die Luft jagten, war das wie ein rotes Tuch für meinen Vater.«
    »Ist das denn wirklich geschehen? Der Arzt in den Krankenhausakten von Essondale schien anzunehmen, dass es sich um eine Wahnvorstellung handelt.«
    »Du hast sie gelesen?«
    Ich nickte.
    »Oh, das ist wirklich so passiert. Dein Vater war derjenige, der den Ballon Anfang März 1945 fand. Er, Valentine und dein Großvater waren mit den Pferden beim Holzfällen, als Gus einen großen weißen Fleck in den Bäumen oben am Berg entdeckte. Valentine und John wanderten mit Gus hinauf, um sich die Sache näher anzuschauen. Es stellte sich heraus, dass es ein Teppich aus irgendeinem papierähnlichen Material war, der über den Ästen hing. Der Ballon selbst lag etwa acht, vielleicht zehn Meter von der Stelle entfernt, immer noch aufgeblasen. An der Unterseite waren Drähte und Kabel zu sehen, wie bei einem Automotor. Es gab Gerüchte über Brandballons, die gefunden worden oder explodiert waren, also konnten wir uns recht gut vorstellen, was es war. Einer kam noch im selben Jahr in der Nähe von Squilax runter. Die Bombe war noch funktionstüchtig und hat wohl ein ziemliches Loch in die Erde gerissen. Die Japaner hatten Tausende dieser mit Bomben gespickten Ballons über den Ozean geschickt, in dem Versuch, in Nordamerika Waldbrände zu entfachen. Sie hatten sie im Winter steigen lassen, um den Wind auszunutzen, der sie den ganzen Weg von Japan hierhertrug. Zu dieser Jahreszeit landeten die Ballons natürlich im Schnee, und wenn
tatsächlich mal eine Bombe hochging, verpuffte das Feuer im nächsten Moment. Und da das Militär die Angelegenheit so gut es ging geheim hielt und selten etwas in den Zeitungen stand, glaubten die Japaner, ihr Plan sei gescheitert, und unternahmen keinen weiteren Versuch.«
    »Also hat Dad ihn in die Luft gejagt?«
    »Nein, nein. Sie wanderten zurück zur Straße, und

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