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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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erdenkliche Weise geholfen. Wie ich schon sagte, er hat ihr auch das Gewächshaus gebaut. Aber er machte sich recht rar, nachdem John zurückkehrte. Er kam nicht mehr oft zu Besuch. Allerdings hat er ihr Briefchen geschickt.«
    »Er hat ihr Briefe geschrieben?«
    »Ich war der Kurier«, sagte mein Vater keuchend. »Trug sie zwischen ihnen hin und her, wobei ich natürlich immer äußerst vorsichtig war, damit dein Großvater nichts davon mitbekam.
Damals habe ich nicht einmal deiner Mutter etwas erzählt.«
    »Und sie lebten so nah beieinander!«
    »Sie konnten sich nicht oft sehen, wenn John zu Hause war. Er hätte es nicht erlaubt oder auch nur verstanden. Maud und Valentine gehörten jedoch zusammen. Aber John tat deiner Großmutter wohl leid. Sie fragte sich oft, ob er zurechtkäme, wenn ihr etwas zustoßen würde.«
    Ich betrachtete mein eigenes Hochzeitsfoto und wartete, bis sein Atem ruhiger war, bevor ich ihn weiter befragte. Käme Ezra ohne mich zurecht? »Du denkst, dass sie aus diesem Grund bei Grandpa geblieben ist?«, wollte ich wissen. »Weil sie Mitleid mit ihm hatte?«
    »Wer weiß das schon genau? Ich habe nie verstanden, weshalb sie bei ihm geblieben ist. Wahrscheinlich wären sie und Valentine nach Johns Verschwinden zusammengekommen, trotz ihres hohen Alters. Aber dann ist Maud an dem Tag gestorben, als sie die Nachricht erhielt, dass die Suche abgebrochen wurde. Die ganze Aufregung war vermutlich zu viel für sie.«
    »Hast du einen der Briefe gelesen?«
    »Nein, nein! Maud muss sie verbrannt haben. John hätte sie niemals finden dürfen!«
    »Und Valentine? Hat er Grandmas Briefe aufbewahrt?«
    »Oh, meine Kleine, du hast so viele Fragen!«
    »Tut mir leid.«
    »Nein, ist schon in Ordnung. Gib mir nur eine Verschnaufpause.« Ich hielt seine Hand, während er mühsam Atem schöpfte. »Wir haben keine Briefe gefunden, als wir seine Sachen nach seinem Tod durchgegangen sind«, sagte er schließlich. »Wahrscheinlich hatte er ihre Briefe zerstört oder versteckt. John gehörte zu der Sorte Mann, der beim geringsten
Verdacht in Valentines Sachen herumgeschnüffelt hätte. Damals versperrte niemand seine Türen, abgesehen von John. Er trug seine Schlüssel immer bei sich, egal wohin er ging.«
    »Als Kind habe ich zufällig eine von Valentines Tabakdosen unter den Dielenbrettern des alten Hauses gefunden.«
    »Lagen Briefe darin?«
    »Keine Ahnung. Ich bekam die Dose nicht auf, so verrostet war sie. Danach habe ich es nie wieder probiert. Mom sah es nicht gern, wenn ich in das alte Haus ging.«
    Er nickte. »Du hattest behauptet, ein Mann wäre dort, ein Mann in der Wand. Hast deiner Mutter einen Riesenschreck eingejagt.«
    »Mom hat mir davon erzählt, aber ich kann mich selbst kaum daran erinnern.«
    »Ich habe angenommen, du meintest Schatten, deinen eigenen oder unseren, wenn wir dich dorthin begleiteten. Das habe ich auch deiner Mutter zur Beruhigung gesagt. Aber du hast weiterhin an der Geschichte festgehalten, dass ein Mann in dem alten Haus ist. Er soll aus der Wand gekommen und wieder hineingeschlüpft sein. Du mochtest ihn nicht. Du nanntest ihn einen bösen Mann. Und du sagtest, er sei verängstigt gewesen. Verängstigt und traurig.«
    Ich starrte aus dem Fenster und lauschte dem röchelnden Atem meines Vaters. Draußen wurde die glimmende Asche vom Wind davongetragen und flammte auf. Es sah aus, als wirbelten körperlose Seelen in der Luft.
    »Du solltest nachschauen, nur für den Fall, dass die Briefe dort sind«, sagte er. »Es wäre jammerschade, wenn sie im Feuer verloren gingen.«
    »Vielleicht kann ich morgen früh etwas Zeit erübrigen, dann frage ich Jude, ob ich die Dose suchen darf.«
    Er schloss die Augen, und kurz darauf verkrampfte sich
sein Gesicht. Tröstend legte ich meinem Vater eine Hand auf die Schulter, da öffnete er die Augen und wirkte verwirrt, erschrocken.
    »Ich habe nicht gewusst, dass du eingeschlafen bist«, entschuldigte ich mich.
    »Das Morphium. Es macht mich genauso wirr im Kopf wie deine Mutter.«
    »Ich sollte dich nicht wachhalten.«
    »Nein, nein, ich will reden.«
    Ich zeigte auf die alte Wunde an seinem Arm. »Also schön, wie bist du an diese Narbe gekommen? Du hast geschwindelt, nicht wahr? Ein Jagdunfall! War es Grandpa?«
    »Deine Mutter will nicht, dass ich darüber rede.«
    »Wenn nötig, kann ich es immer noch recherchieren. Falls er dich angeschossen hat, hat die Presse sicher darüber berichtet. In der Bibliothek sind alle Zeitungen bis hin

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