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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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was ich diese Woche getan habe, ergibt keinen Sinn. Gestern bin ich einfach mitten in der Nacht mit einer Pfanne Fudge zu Jude rüberspaziert. O Gott, Val, ich fühle mich bei ihm noch ganz genauso wie damals. Begehrenswert, verstehst du? Nein, mehr als das. Mutig .«
    »Und jetzt hockst du hier und musst plötzlich eine Entscheidung treffen: Ezra oder Jude.«
    »So einfach ist das nicht.« Oder etwa doch? Ich blickte wieder auf meinen Schoß und das Notizbuch meiner Großmutter, das Valentine gewidmet war. Was hatte sie getan? Welche Entscheidungen hatte sie getroffen? In diesem Notizbuch lagen Hinweise versteckt, davon war ich überzeugt. Das gewellte, vergilbte Zeitungspapier, die Rezepte und Hausmittel in Mauds Handschrift, die sie auf die Seiten neben den Artikeln
beigefügt hatte. Ein Teil meiner Großmutter war hier in Tinte verewigt: in ihrer sorgfältigen, beherrschten Schönschrift, in der Auswahl der Dinge, die sie notiert hatte. Sie verwendete lieber einen Füllfederhalter statt eines Kugelschreibers. Der Beweis war hier, in der zerlaufenen Tinte, als sie eine Gebrauchsanweisung für das Konservieren von Rosen niederschrieb: Man taucht die Blüte mitsamt Stiel in geschmolzenes Wachs, sodass sich ein feiner Film um die Blume legt und sie von jeglicher Luftzufuhr und dem Makel der Zeit verschont bleibt . Wäre die Erinnerung eine Farbe, wäre sie blau, die Farbe der Tinte, die meine Großmutter benutzt hatte, um ihre kostbaren Erinnerungen vor dem Zerstörungswerk der Zeit zu bewahren.
    Also war es tatsächlich Valentine gewesen, der ihr die Rose geschenkt hatte.
    Val nickte in Richtung von Judes Haus. »Er ist jetzt dort drüben und wartet auf dich«, sagte sie. »Wirst du zu ihm gehen?«

16.
    JEREMY SPIELTE AUF den Heuballen neben mir, während ich in den Kisten wühlte, die wir bei unserem Umzug nach Alberta im vergangenen Frühling in der Scheune untergebracht hatten. Am Morgen hatte ich festgestellt, dass sich in den Kisten ein Großteil meines Ehelebens befand: unsere Hochzeitsfotos und der Trauschein, Geburtstagskarten und Urlaubsbilder, Papiere von Ezras und meinem Schreibtisch, unsere Steuerakten und Briefumschläge voller beglichener Rechnungen. In einer Schachtel lagen mein Hochzeitskleid und die Babyschüssel, die in meiner Kindheit mir gehört und die mir meine Mutter vermacht hatte, als ich mit Jeremy schwanger war. Jeremy hatte seine erste feste Mahlzeit daraus gegessen.
    Auf der Kiste, die ich jetzt durchging, stand einfach das Wort Papiere , in Ezras Handschrift. Sie enthielt meine erste Muttertagskarte, die Ezra nicht einmal ein Jahr nach seinem Schlaganfall für mich gebastelt hatte: In blauer Farbe prangten Jeremys Handabdrücke vorne und hinten drauf. Die Karte ließ sich wie ein Akkordeon öffnen und war genauso lang wie die Arme meines Sohnes zu jener Zeit. So sehr liebe ich dich, und meine Arme sind noch am Wachsen! , hatte Ezra hineingeschrieben. Ich hatte Ezra dabei ertappt, als er die blaue Lebensmittelfarbe
im Badezimmerwaschbecken von Jeremys Händen abwaschen wollte. Mein Sohn war abgesehen von der Windel nackt gewesen, klemmte unter Ezras Arm und versuchte mit seinen kleinen Fingern, den Wasserstrahl aus dem Hahn zu fassen. Ezra hatte nicht daran gedacht, die wasserlösliche Gouache-Farbe zu benutzen, die wir im Haus hatten, und Jeremys Hände waren noch einen Tag später blau. Blau unter den Halbmonden seiner winzigen Fingernägel. Ezra hatte sich so große Mühe gegeben, mir eine Freude zu machen. Er gab sich immer so große Mühe.
    Ich hielt die Karte hoch, um sie Jeremy zu zeigen. »So lang waren deine Arme, als du ein Baby warst.« Er nahm die Karte, faltete sie auf und wieder zusammen, während ich die Kiste durchsah. Da fiel mein Blick auf ein beschriebenes Blatt Papier mit Ezras Handschrift. Es begann mit meinem Namen, und ich dachte für einen Moment, es sei ein alter Liebesbrief:
    Kat. Ich wünschte, sie könnte meine Geschichte nachvollziehen. Ein Bild springt während des Tages in meinen Schädel, oder ich träume nachts davon: ein Vogel, gefangen in einem gläsernen Käfig, der mit den Flügeln gegen die Wände schlägt. Ich bin dieser Vogel. Ich erhalte einen flüchtigen Blick auf den Ort, an den ich gehen sollte, aber ich schaffe es nicht, dorthin zu kommen. Ein Schatten hält mich zurück, und ich verstehe nicht, warum ich nicht hinausdarf. Ich habe keine Vergangenheit, da ich mir nicht merken kann, was am Morgen geschehen ist. Ich habe keine Zukunft, weil ich

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