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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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fertig war, kam sie zu mir ans Fenster und reinigte sich die Hände mit einem antiseptischen Tuch.
    »Vielen Dank«, sagte ich.
    »Wofür?«
    »Für alles, was du für Mom und Dad tust.«
    »Es ist mein Leben, mich um andere Menschen zu kümmern.«
    Ich hakte mich bei ihr unter. »Und wer kümmert sich um dich?«
    »Oh, mir geht’s gut. Ich kann selbst auf mich aufpassen. Jeden Abend gönne ich mir ein Glas Wein und eine heiße Badewanne.« Sie stupste mich mit der Schulter an. »Aber wer kümmert
sich um dich? Ezra jedenfalls nicht. Sag mal, wann war das letzte Mal, dass er etwas für dich tun durfte?«
    Ich zögerte einen Moment und spielte mit dem Zettel in meiner Hosentasche. »Erst neulich, als wir mit Mom im Supermarkt waren, nahm sich Ezra einen eigenen Einkaufswagen und wollte ein paar Sachen holen. Ich dachte, sein Verhalten sei einfach kindisch, du weißt schon, dass er wieder Dinge allein machen möchte, um sich etwas zu beweisen. Aber dann wurde er müde, und ich brachte ihn zur Bank neben der Tür, damit er dort auf uns wartet, während wir zu Ende einkaufen. Als er sich hinsetzte, bemerkte ich ein Glas Preiselbeermarmelade in seinem Wagen, die Sorte Marmelade, die Onkel Valentine uns immer gab, wenn wir bei ihm waren, aber in einem klitzekleinen Gläschen, wie man es beim Frühstück in einem Hotel erwartet. Das war also der Grund, weshalb er ohne uns einkaufen wollte. Er wollte mich überraschen. Ich fragte: ›Ist das für mich?‹ Er sagte: ›Du magst das Zeug doch, oder?‹ Ich umarmte ihn und gab ihm einen Kuss, wobei mir Tränen in den Augen standen. Es hat mich einfach verwundert, dass mich dieses kleine Geschenk so sehr berührte. Meine überschwänglichen Gefühle waren völlig unverhältnismäßig. Dann kam mir der Gedanke, dass ich mich nicht erinnern konnte, wann mir Ezra das letzte Mal ein Geschenk gekauft oder mich ohne mein Drängen zum Essen eingeladen oder mir nur eine Tasse Tee gemacht hatte. Das letzte Mal, dass er sich an meinen Geburtstag erinnert hat, war vor seinem Schlaganfall. Ist das nicht bescheuert? Allein wegen eines dummen Marmeladenglases so rührselig zu werden?«
    »Das ist nicht bescheuert«, sagte Val. »Es ist beinahe unmöglich, eine Liebesbeziehung aufrechtzuerhalten, wenn man Tag für Tag mit den Auswirkungen eines Schlaganfalls zu kämpfen hat.«

    »Ezra … nun ja … er begehrt mich nicht mehr.«
    »Wahrscheinlich ist er meistens erschöpft und muss erst wieder zu sich selbst finden. Ein Großteil der Paare haben nach einem Schlaganfall Schwierigkeiten in ihrem Sexleben.« Doch dann wurde Vals Aufmerksamkeit auf etwas hinter mir gelenkt, auf die Küchentür in meinem Rücken.
    Ich drehte mich um und erkannte Ezras Silhouette vor der Fliegengittertür. Hastig polterte er die Verandastufen hinab, während ich in meine Sandalen schlüpfte, um ihm nach draußen zum Pick-up zu folgen. »Warum musstest du ihr das erzählen?«, fragte er entrüstet. Er stand kurz vor einem Zusammenbruch und sah schrecklich müde aus. In diesem Moment wurde mir bewusst, wie viele Jahre wir schon zusammen waren. Die silbergrauen Haare an seinen Schläfen, die er früher beharrlich ausgezupft hatte, bis ihm nach dem Schlaganfall die Energie dazu verloren gegangen war. Als ich nach seiner Hand greifen wollte, riss er den Arm zur Seite und ging weg. »Ich hole die restlichen Kartons.«
    Die Fliegengittertür öffnete sich, und Jeremy kam mit dem kleinen Plastikelefanten heraus, der mir früher als Kind gehört hatte und dem die Ohren, Räder und Beine fehlten. »Mommy, alle die Spielsachen hier sind kaputt«, beschwerte er sich.
    Ich wischte mir die Tränen aus den Augen. »Ich hol dir gleich etwas zum Spielen, Jeremy. Ich brauch nur einen Moment.«
    Er setzte sich neben mich auf die Stufen und betrachtete den kaputten Elefanten. »Geht Daddy weg?«
    »Er holt die Kisten aus der Scheune.«
    »Da ist Feuer in meinem Kopf.«
    Ich umarmte ihn und legte ihm die Hand auf die Stirn. »Du meinst, du machst dir Sorgen wegen des Feuers?« Als er nicht antwortete, drückte ich ihn fester an mich. »Das Feuer ist beängstigend,
aber sobald man uns sagt, dass wir losmüssen, werden wir von hier fort sein, bevor das Feuer die Farm erreicht. Okay?«
    »Okay.« Er schlang mir die Arme um den Hals, schmiegte den Kopf an meine Schulter, und ich wiegte ihn sanft hin und her. Jude trat aus dem Schuppen, in dem der Brennofen stand, und ließ den Blick über das Feld schweifen. Als er Jeremy und mich sah,

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