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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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Füße. »Ich hab mich mit Mom in Kamloops getroffen oder
rief sie an, doch ich habe meinen Vater in all den Jahren, nachdem ich von zu Hause ausgezogen war, nur ein einziges Mal gesehen, und das rein zufällig. Ich bin mit meinen Jungs in ein Café in Kamloops spaziert - sie waren damals vielleicht acht und zehn -, und dort stand er, an der Ladentheke, mit einer Tasse in der Hand, und machte der Bedienung die Hölle heiß, weil sie keinen anständigen Tee benutzt hat. Nabob-Tee war der einzige, den er trank. Das arme Mädchen war natürlich völlig perplex. Sie hatte nicht den blassesten Schimmer, weshalb der Mann sie derart anschrie. Ich legte ihm eine Hand auf den Arm, und er wirbelte mit hoch erhobener Faust herum, wollte mich schon schlagen. Ich sagte: ›Hey, Dad! Nur mit der Ruhe.‹ Er sah mich an, als müsste er erst überlegen, wer ich war. Dann sagte ich: ›Ich dachte, du willst vielleicht deine Enkel kennenlernen.‹ Weißt du, was er geantwortet hat? ›Es gibt zwei Dinge, die ich hasse: zum einen dieses Spülwasser, das sie hier als Tee verkaufen. Zum anderen sind das Kinder. ‹ Er warf das Wechselgeld auf den Ladentisch, schnappte sich seinen großen schwarzen Hut vom Kleiderständer und stürmte aus dem Café. Das war das letzte Mal, dass ich meinen Vater gesehen habe.«
    Nach seinem Schlaganfall hatte Ezra Kellnerinnen und Verkäufer genauso unfreundlich behandelt. Einmal hatten wir ein spätes Mittagessen ohne Jeremy geplant, doch als wir in dem Restaurant ankamen, das wir ausgesucht hatten, war es geschlossen. Ein Kellner, der den Fußboden wischte, öffnete die Tür, um uns zu erklären, sie würden erst wieder um fünf aufmachen. »Was für ein bescheuerter Laden ist das hier?«, schnauzte Ezra ihn an. »Welches beschissene Lokal schließt denn um zwei?« Ich zerrte ihn von der Tür weg und murmelte leise, dass es keine Rolle spiele und wir zu einem anderen Restaurant gehen könnten, aber er hörte nicht auf zu
fluchen und kickte Steine vom Gehweg, während der Kellner uns nachblickte.
    »Du sollst deinen Vater lieben«, sagte Onkel Dan. »Doch wie liebt man einen Mann, der sich so verhält?«

19.
    DIE FLIEGENGITTERTÜR GING quietschend auf, und Ezra, der eine Kaffeetasse in Händen hielt, folgte meiner Mutter und Val ins Freie. Ich hatte Val gebeten, ihn im Haus zu beschäftigen, während wir das Kalb schlachteten. Als sich unsere Blicke trafen und ich in ihren Augen nach einer Erklärung suchte, sah sie zu Ezra hinüber und zuckte entschuldigend mit den Achseln. »Wo ist Jeremy?«, fragte ich Ezra.
    »Die ganzen Cartoons im Fernsehen haben ihn müde gemacht. Ich habe ihn ins Bett gesteckt.« Er zeigte mit dem Kinn zum Feld. »Was will der da?«
    Ich drehte mich um und sah Jude am alten Brunnen vorbei in unsere Richtung spazieren. »Keine Ahnung.« Während er näher kam, beobachtete ich ihn eindringlich und hoffte auf einen Hinweis, was er vorhaben könnte, doch er hielt die Augen starr auf den Boden geheftet.
    Meine Mutter reichte Dan eine Tasse Kaffee und nippte an ihrem Tee. »Vielen Dank, dass du das Vieh genommen hast, Dan. Ich war schon völlig ratlos.«
    »Keine Ursache«, sagte er. »Brauch doch sowieso irgendeine Beschäftigung. Ich hab nicht den blassesten Schimmer, was ich den lieben langen Tag tun soll, sobald die Molkerei verkauft ist. Man schließt Dinge ins Herz, seine Tiere oder die
Farm oder den Wagen oder was auch immer, egal ob sie einem ständig Ärger machen. Das findet man aber erst heraus, wenn man versucht, sie loszuwerden.« Er sah über meine Schulter hinweg. »Ihr scheint Besuch zu bekommen.«
    Als Jude uns erreichte, nickte er Val und meiner Mutter zu, sah jedoch weder mich noch Ezra an. Stattdessen wandte er seine ganze Aufmerksamkeit Onkel Dan zu. »Ich habe den Anhänger gesehen und gedacht, du könntest vielleicht Hilfe mit dem Vieh gebrauchen.«
    »Ich werde zuerst das Kalb dort schlachten«, sagte Dan. »Will die Kühe nicht unnötig früh in den Anhänger treiben, damit sie an einem heißen Tag wie heute nicht so lange zusammengepfercht sind.«
    Ezra nahm meinen Arm und hielt ihn eine Spur zu fest. »Du hast Dan dazu gedrängt, das Kalb zu töten?«, fragte Ezra.
    »Mach bitte keine Szene.«
    Meine Mutter blickte zu Ezra und sah dann rasch weg. »Ich hasse das Schlachten«, sagte sie.
    »Kein Wunder.« Dan redete mit Jude, während er das Gewehr lud. »Unser Vater hat den Rat eines alten deutschen Schlachters befolgt und die Kuh nicht vorher betäubt,

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