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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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deine Schätze aufpassen «, sagte ich laut.
    »Wie bitte?«, fragte meine Mutter.
    Ich riss die Schublade mit dem Krimskrams auf, suchte hastig nach einer Taschenlampe und legte sie dann auf den Tisch, bevor ich die Trittleiter aus dem Flur holte.
    »Was ist denn hier los?«, erkundigte sich Val.
    Ich stellte die Trittleiter neben die Zwischenwand und kletterte hinauf. Durch den etwa dreißig Zentimeter großen Spalt zwischen Wand und Decke konnte ich in Vals altes Zimmer sehen. »Gibst du mir mal die Taschenlampe und das Handtuch dort?«
    Val reichte mir beides hoch.

    Ich wischte eine dicke Staubschicht, Spinnweben und Katzenhaare weg, die sich im Laufe der Zeit auf der Trennwand angesammelt hatten, und leuchtete mit der Taschenlampe in den Spalt. Von Nägeln an der Innenseite der Wand hingen Schnüre herab, Schnüre, die in die Dunkelheit führten. »Ich glaube nicht, dass deine Mutter immer nur Staub gewischt hat, wenn du sie hier oben gesehen hast«, sagte ich zu meiner Mutter und zog eine der Kordeln hoch. Ein Bündel Briefe baumelte am anderen Ende. Mit dem Geschirrtuch befreite ich das Päckchen vom Staub, bevor ich es meiner Mutter zuwarf, eine weitere Schnur heraufholte und schließlich noch eine. Doch welches Geheimnis auch immer an ihnen gehangen hatte, war vor langer Zeit auf den Boden der Trennwand gefallen.
    Ich stieg von der Leiter und strich vorsichtig mit der Hand über die Tapete, unter der sich ein Brett bereits einen Spalt weit gelöst hatte. »Ich würde die Wand gerne einreißen.«
    »Weshalb?«, fragte Ezra.
    »Dort drinnen ist noch mehr, viel mehr.« Ich wandte mich an meine Mutter. »Deine Tante hatte geschrieben: Vielleicht kann der kleine Kerl nun zumindest auf deine Schätze aufpassen . Ich denke, deine Mutter hat die Karte absichtlich in das Buch Der Prophet gelegt, um dir einen Hinweis zu geben. Sie hat dir verraten, wo du nach ihren Schätzen zu suchen hast, sollte ihr etwas zustoßen.«
    Meine Mutter starrte eine Weile die Wand an und nickte dann.
    Ich fischte einen Klauenhammer aus der Krimskrams-Schublade, und nachdem ich einige Tapetengenerationen entfernt hatte, rammte ich den Hammer ins Brett, um es mit aller Gewalt herauszureißen. Nägel kreischten, das Brett gab mit einem lauten Quietschen nach, und eine Ladung Marienkäfer
ergoss sich über den Boden. Die meisten von ihnen waren tot, doch einige krabbelten die Wand hoch oder flogen schwirrend über unsere Köpfe. »Du liebe Zeit!«, entfuhr es Val.
    »Marienkäfer, Marienkäfer, fliege weg, fliege weg!«, sang Jeremy.
    »Ich mach das schnell sauber.« Ich holte unter der Spüle die Kehrschaufel und den Besen hervor und fegte mühsam die Marienkäfer und den jahrzehntealten Staub und Dreck in eine braune Papiertüte, die Val vor mir aufgestellt hatte. Als die Tüte fast bis zum Rand gefüllt war, brachte Ezra sie hinaus und warf die Marienkäfer schwungvoll über die Einfahrt. Viele von ihnen erhoben sich in die Lüfte und flogen spiralförmig davon.
    »Großer Gott«, sagte Ezra. »Wie viele Käfer sind das?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte ich und stieß dann mit der Kehrschaufel auf etwas Weiches. Ich zerrte einen zerschlissenen Teddybären aus der Trennwand, der über und über mit Staub und Spinnweben bedeckt war. Seinen Bauch hatten tatsächlich Mäuse heimgesucht, sein Kopf hing schlaff zur Seite, wurde nur noch von einigen wenigen Fäden gehalten. »O Gott!«, sagte Val und nieste. »Ab in den Müll damit!«
    »Nein!«, widersprach meine Mutter.
    »Er ist schmutzig.«
    »Sie hat ihn seit fast siebzig Jahren nicht mehr gesehen«, sagte ich.
    Val reichte meiner Mutter den Bären, woraufhin sie sich in ihren Stuhl setzte, hin- und herschaukelte und wie ein Kind mit dem Stofftier spielte. Harrison sprang auf ihren Schoß.
    »Ist der Bär für mich?«, fragte Jeremy.
    »Nein. Nur für Grandma.«

    Ich drehte mich wieder zu meiner Mutter um. »Sind die Briefe von Valentine?«
    »Nein, von ihrer Schwester.«
    »Warum in Gottes Namen hat sie die Briefe ihrer Schwester versteckt?«
    »Mein Vater war auf alles eifersüchtig, das nicht mit ihm zu tun hatte.«
    »Valentines Briefe müssen hier sein«, sagte ich. »Ich weiß, dass sie hier sind!«
    Ich wühlte mich durch die Schätze meiner Großmutter, die am Boden der Zwischenwand lagen. Ein Butterick-Schnittmuster aus dem Jahr 1931 für ein Kleid mit eingearbeitetem Schößchen. Ein Lippenstift. Ein kleines Fläschchen Fliederparfüm. Eine Ausgabe der Chatelaine aus dem Jahr 1953

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