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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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behalten, wenn du vorsichtig mit ihm umgehst. Setz dich an den Tisch. Wir essen gleich zu Abend.«
    »Welches Baby?«, wollte Ezra wissen.
    Ich holte die Teller aus dem Geschirrschrank.

    Ezra drehte sich zu unserem Sohn um. »Jeremy, welches Baby?«
    »Mommys Baby. Das in ihrem Bauch, auf den Bildern bei dem Mann da drüben.« Er zeigte zu Judes Haus.
    »Du hattest ein Kind mit Jude gezeugt?«, fragte mich Ezra.
    Val lugte um die Ecke, um vom Wohnzimmer aus einen Blick auf mich zu haben. Ich drehte ihr den Rücken zu und deckte weiter den Tisch. »Ich habe sie verloren«, sagte ich. »Im vierten Monat.« Ezra ließ sich auf seinen Stuhl sinken, während ich eine Handvoll Besteck aus der Schublade nahm. »Wir können später darüber reden.«
    »Ich will es aber jetzt bearbeiten!«
    »Da gibt es nicht viel zu sagen.« Ich legte eine Gabel, ein Messer und einen Löffel vor ihn hin. »Ich habe das Baby verloren. Lillian wurde schwanger. Ich habe Jude verloren. Ende der Geschichte.«
    »Warum hast du mir nie davon erzählt?«
    »Ist doch Schnee von gestern.«
    »Wärst du jetzt mit Jude zusammen, wenn das Baby geatmet hätte?«
    Ich zögerte. »Das weiß ich nicht.«
    »Du hast immer noch Gefühle für ihn!«
    Ich blickte aus dem Fenster zum sich verdunkelnden Himmel. Der Rauch schloss uns ein.
    »Würde es dich überhaupt stören, wenn es so wäre?«
    »Natürlich! Du bist meine Frau. Ich liebe dich!«
    »Wirklich?« Ich zog den Zettel, den ich in der Scheune gefunden hatte, aus meiner Geldbörse und beobachtete, wie er seine eigenen Worte las. Ich habe Angst, dass sich meine Liebe für sie verflüchtigt hat . »Ist das wahr?«, fragte ich.
    Er zögerte einen Moment. »Darüber habe ich mir damals
lange den Kopf zerschmettert. Wir haben uns andauernd gestritten.«
    »Wann war das?«
    »Als wir unsere Sachen für den Umzug gepackt haben. Du musst doch während all unserer schwierigen Phasen über dieselben Gedanken getaumelt sein.«
    »Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben. Welchen Beweis erwartest du noch? Ich trage Ohrenstöpsel in der Tasche, falls du dich ausruhen musst. Ich beende deine Arbeit auf dem Feld, wenn du müde bist. Ich schmeiße den Haushalt, obwohl ich diejenige bin, die das Geld nach Hause bringt. Um Himmels willen, ich lege dir sogar die Kleidung raus, damit du die Entscheidung nicht treffen musst, was du morgens anziehen sollst.«
    »Und genau das ist es. Ich bin keine Leidenschaft mehr. Ich bin Arbeit, eine störende Last.« Als ich nicht widersprach, fuhr er fort: »Das stimmt doch, oder etwa nicht?«
    »Ich bin einfach nur müde, Ezra.«
    Behutsam faltete er den Zettel und steckte ihn ein.
    Meine Mutter tätschelte mir den Arm. »Das solltet ihr lieber unter vier Augen besprechen«, sagte sie und drehte sich zu Jeremy um. »Was hast du denn da?«
    »Mommys lustigen Bären.«
    »Ich hatte auch mal genau so einen Bären«, sagte meine Mutter. »Es war damals mein einziges echtes Spielzeug, das einzige, das in einem Geschäft gekauft worden war. Ich weiß nicht, wie oft Dan und ich den Teddy über die Zwischenwand von meinem Zimmer in die Küche und wieder zurück geworfen haben. Es war ein Spiel, hin und zurück, hin und zurück, über die Wand. Der Bär ist kein einziges Mal in den Spalt zwischen den Trennwänden gefallen.«
    »Heißt das, die Wand ist oben offen?«, fragte ich erstaunt.
    »Nun ja, die Wand war nur ein Provisorium. Mein Vater zog sie hoch, als ich geboren wurde. Vals Zimmer war mein altes Schlafzimmer. Er hat sich keine besondere Mühe mit der Zwischenwand gegeben, weil er immer ein ganz neues Haus für uns bauen wollte.« Sie ließ den Blick zurück zum Bären schweifen. »Eines Tages saß ich auf dem Fußboden in meinem Zimmer, sang und tat so, als würde der Bär singen. Ich weiß nicht, warum ich meinen Vater nicht hereinkommen hörte. Vielleicht hatte er tatsächlich einmal die Schuhe draußen ausgezogen. Ich war also beim Singen, als er nach Hause kam, und er hasste das, konnte es einfach nicht ertragen. Er schnappte sich den Bären und warf ihn in den Spalt zwischen die Wandpfosten. Absichtlich. Zur Strafe.« Sie gab Jeremy den Bären zurück. »Ich vermute mal, dass der Teddy immer noch dort oben ist.«
    Ich dachte über den kleinen Bären nach, der all die vielen Jahre in dem dunklen Spalt ausgeharrt hatte, während sich Staub und Spinnweben auf ihm sammelten, und dessen Bauch eine Brutstätte für Mäuse sein musste. » Vielleicht kann der kleine Kerl nun zumindest auf

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