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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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ihn in die Arme zu nehmen und sich an ihn zu schmiegen war das Selbstverständlichste von der Welt. Als hätte alles, seit sie als pummelige Kinder zwischen Maisstauden nach Gusano-Würmern gegraben hatten, darauf hingeführt. Tomás stöhnte, als sie ihm den Hemdkragen öffnete und über die warme Haut seiner Brust strich.
    »Was machst du da?«
    »Dich lieben«, antwortete sie schlicht. »Dir zeigen, dass du nicht Felipe Sanchez Torrija umbringen musst, um ein Mann zu sein.«
    »Doch, Armadillo.« Er stöhnte von neuem auf und zog sie an sich. »Ich glaube, das muss ich. Ich habe das Gefühl, hier ist nur noch Platz für einen, für Sanchez Torrija oder für mich – und dabei kann ich den Kerl förmlich lachen hören, weil ich mich zu wichtig nehme.«
    »Ich finde, du nimmst ihn zu wichtig«, sagte Anavera. Wenigstens nannte er sie wieder Armadillo und gab Antwort auf ihre Liebkosungen. »Du hast deine Verlobte in den Armen, die gekommen ist, um mit dir die Liebe zu erlernen. Was soll der Popanz Sanchez Torrija dabei – schaffen wir beide das nicht allein?«
    »Aber du kannst doch nicht …«
    Sie verschloss ihm den Mund. »Doch, Tomás. Mit dir zusammen kann ich. Wenn ich meinen Mann bei mir habe, kann ich alles, was ich will.«
    Es war so, wie es sein sollte, und es gab nichts zu erlernen. Der Mond schien ins Fenster, das Bett war weich und vertraut und beschützte die Scheu ihrer Körper. Er war der Mann, der von Anfang an für sie gedacht war, und sie war das Mädchen, das von Anfang an für ihn gedacht war. Es tat ein bisschen weh, aber das war auch so, wie es sein sollte, und er küsste jeden Zoll ihrer Haut, um sie dafür zu entschädigen. Er wickelte sich ihr Haar um die Brust und sagte ihr, sie sei so schön, dass er das Malen aufgeben müsse, weil jedes Bild vor ihr verblasse. Mit schier blindem Instinkt griff sie im rechten Augenblick zu und schob ihn aus sich heraus, ehe er sich auf ihrem flachen Bauch ergoss.
    »Wo hast du denn das gelernt?«, fragte Tomás verblüfft, als sich sein Atem beruhigte.
    »Ich bin vom Land«, erwiderte Anavera ruhig.
    Er küsste sie hinters Ohr. »Aber wenn wir verheiratet sind, dann willst du doch ein Kind, oder nicht?«
    »Und wenn ich wie Abelinda keines bekomme?«
    »Dann bin ich dein Kind und du meines. Du wirst immer mein Armadillo sein, meine Liebste. Es gibt nichts, das dich von mir trennt.« Er zog sie an sich, und sie schliefen einer in den Armen des anderen ein. Am Morgen bedankte er sich: »Du hast mich gestern gerettet. Ich dachte, er lässt mir keine Wahl, als ihn umzubringen, aber so viel Macht werde ich ihm nie mehr geben.« Sie konnten wieder vernünftig über alles sprechen, auch über Felipe Sanchez Torrija und dessen Sohn in der Hauptstadt. Tomás vertraute ihr an, was er ihr verschwiegen hatte – dass Josefa sich in diesen Mann verliebt hatte und dass er auch ihn am liebsten hätte töten wollen. »Inzwischen ist sie aber geheilt«, sagte er. »Und ich bin es auch. Ich wünsche diesen beiden noch immer alles Übel der Welt an den Hals, aber ich muss meinen Mut nicht mehr beweisen, indem ich unser Leben aufs Spiel setze.«

18
    J osefa arbeitete in jeder wachen Stunde. Sie stellte Recherchen zusammen, schrieb Entwürfe nieder, verwarf alles wieder und fing von vorne an. Mit der Arbeit versuchte sie sich von den quälenden Gedanken und Gefühlen abzulenken. Nur wenn sie abends zu Tode erschöpft in ihr Bett sank, gelang es ihr, Schlaf zu finden, und selbst dann entging sie den Träumen nicht.
    Sie träumte nie von dem Schrecklichen, das sie gesehen und erlebt hatte und über das sie sich zu schreiben bemühte. Sie träumte auch nie von den Menschen, die sich um sie bemühten – Martina und Tomás, die ständig vorbeischauten, Felice, die versuchte zu verbergen, dass sie sie bewachte, Onkel Stefan, der ihr Material schickte, und ihr Vater, der noch immer keine Zeit für sie fand, der aber versprochen hatte, ihre Schrift, wenn sie fertig war, seinem Bekannten von El Tiempo vorzustellen. Von den Menschen daheim, auf El Manzanal, träumte sie ebenfalls nie. Sie träumte nur von einem. Von Jaime Sanchez Torrija. Nicht von den abscheulichen Worten, die aus seinem Mund gekommen waren wie ein Giftschwall, sondern von seinen Augen, den tausend goldenen Funken. Nicht von den Greueln im Osten, für die er verantwortlich war, sondern von seinem halben Lächeln und der seltsamen Wehmut und Verletzlichkeit. Nicht von dem Mann, der ihr ins Gesicht gesagt hatte,

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