Im Tal der wilden Blumen (Bianca) (German Edition)
hatte Colts Anspannung schon gespürt, als er die Küche betreten hatte. Sie bekam daher ein mulmiges Gefühl, als sie ihm in den ersten Stock folgte. Er verhielt sich so ganz anders als heute Morgen. Sie hatte den ganzen Tag nichts von ihm gesehen oder gehört, und beim Abendessen hatte er auffallend wenig gegessen.
Hank war vorhin auch nicht gerade gesprächig gewesen. Die unterschwelligen Spannungen im Haus gaben ihr Rätsel auf. Nach der Geburt eines neuen Familienmitglieds hätte sie mit positiveren Reaktionen gerechnet.
Im ersten Stock führte Colt sie in ein großzügiges Schlafzimmer mit angrenzendem Bad. Ein noch nicht bezogenes Gitterbett mit Matratze stand in der Mitte des Raums. Geenas Blick fiel auf ein paar Tüten, die auf dem mit einem bunten Quilt bedeckten Doppelbett lagen.
„Travis hat ein eigenes Kinderzimmer, aber da Lindsey hier ein paar Wochen wohnen wird, habe ich die Babysachen liefern lassen. Sagen Sie … wenn Sie eine junge Mutter wären und gerade aus dem Krankenhaus kämen, was würde Ihnen hier noch fehlen?“
Ein neugeborenes Baby im Haus war offensichtlich eine ungewohnte Herausforderung für Colt. Kein Wunder, als Chef lag die Verantwortung letztlich bei ihm.
„Wir könnten schon mal das Gitterbett beziehen“, schlug Geena vor und ging zum Doppelbett, um die Tüten auszupacken. Als Erstes kam eine kleine rosafarbene Wanne zum Vorschein. „Hierin kann man das Baby baden.“
Colt brachte die Wanne ins Badezimmer und half ihr beim Auspacken der restlichen Sachen. Kurz darauf war das Bett fertig und sah mit seinem rosaweißen Nestchen traumhaft aus. „Die gestickten rosa Herzen auf dem Quilt sind ja wirklich süß. Sie haben eine gute Wahl getroffen.“
„Habe ich nicht“, antwortete Colt mürrisch. „Ich habe einfach alles telefonisch bestellt und gesagt, dass es für ein Mädchen ist.“
„Dem Baby wird’s jedenfalls gefallen. Wie heißt die Kleine eigentlich?“ Bisher hatte ihr das noch niemand gesagt.
„Keine Ahnung. Travis und Lindsey haben sich noch nicht entschieden.“
Das erklärte vieles. „Kommt Lindsey aus einer bekannten Familie?“
„Ja.“
„Hier in Sundance?“
„Nein, aus Gillette.“
„Im Cattlemen’s Store habe ich erfahren, dass der Name Brannigan in Wyoming sehr angesehen ist. Lindsey und Travis kann es nicht leichtfallen, passende Namen aus beiden Familienstammbäumen auszuwählen.“ Zum ersten Mal heute Abend sah Geena ein belustigtes Funkeln in Colts Augen und atmete insgeheim erleichtert auf. „Lassen Sie uns das Bett an die Wand schieben“, schlug sie vor. „Dann ist es aus dem Weg.“
Gemeinsam rollten sie es über den Orientteppich, der die alten Holzdielen bedeckte. Als sich ihre Arme und Hüften flüchtig berührten, schoss Geena unwillkürlich die Vorstellung durch den Kopf, Colt sei ihr Mann, und sie würden das Kinderzimmer für ein eigenes Baby vorbereiten. Wütend auf sich selbst ging sie zum Doppelbett zurück. „Was für niedliche Strampler“, sagte sie. „Wo sollen wir die Babysachen hintun?“
„Wie wär’s mit der Kommode neben dem Gitterbett? Sie ist leer.“
„Ausgezeichnet. Die Windeln können wir oben drauf stapeln.“ Nach ein paar Minuten waren sie fertig. „Ich sehe noch rasch im Bad nach, ob genug Handtücher da sind. Davon kann man nie zu viel haben.“
Sowohl die Haken als auch der Schrank waren gut bestückt. „Alles bestens“, erklärte sie, als sie wieder zurückkam. „Jetzt fehlen nur noch zwei Mülleimer in den beiden Zimmern, dann müsste Lindsey eigentlich zufrieden sein.“
Colt hatte in der Zwischenzeit die leeren Verpackungen in eine der Tüten gestopft. „Darauf würde ich keine Wetten abschließen.“
Geena lachte. „Sie arbeiten zu hart, Colt Brannigan“, sagte sie unvermittelt. „Nehmen Sie sich eigentlich jemals frei?“
„Vielleicht nicht so oft, wie ich sollte“, gab er zu.
„Sie müssen sich doch manchmal überwältigt von der Last dessen fühlen, was hier zu tun ist.“
Colt nickte. „Irgendjemand muss sich ja kümmern.“
Unter anderem darum, eine neue Haushälterin zu finden. Die Vorstellung, dass Geena ihm durch ihr Weggehen bald noch mehr Arbeit machen würde, war ihr sehr unangenehm. Als sie sich gerade umdrehen wollte, um das Zimmer zu verlassen, rief er sie zurück. „Habe ich mich geirrt, oder haben Sie heute Vormittag vor der Polizeiwache geparkt?“
Ach, dann hatte er ihren Wagen also gesehen. Jetzt war ihr auch klar, warum er sich so distanziert
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