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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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hoffnungslos. Sie lag wie ein Maikäfer auf dem Rücken, alle Extremitäten wie von eisernen Ringen an die Erde gefesselt. Sie sah Stahl aufblitzen und hörte das ratschende Geräusch, mit dem ihre Jeans und ihr Slip aufgeschnitten wurden. Es war ein Alptraum, es war nicht fassbar. Es war etwas, wovon man las und in den Nachrichten hörte und wovon man wusste, dass es passierte, aber doch nicht glaubte, es könne einem selbst zustoßen.
    Debbie jedenfalls hätte es nie geglaubt. Sie glaubte es nicht einmal, während es geschah. Es war nicht sie, die hier in ei ner kalten Märznacht am Hafen von Swansea neben dem Gebäude der Yacht Brokers lag und von zwei Männern, die einander mehrfach abwechselten, vergewaltigt wurde. Es war irgendjemand. Jemand, von dem sie sich innerlich, soweit sie nur konnte, entfernte. Debbie war nie zuvor in ihrem Leben Gewalt ausgesetzt gewesen. Die Situation machte sie fassungslos. Später dachte sie, dass sie dies vielleicht vor dem Wahnsinn rettete, der sonst unweigerlich von ihr hätte Besitz ergreifen müssen. Ihr Verstand weigerte sich zu kapieren, was mit ihr geschah. Sie glitt in einen Zustand völligen Unbeteiligtseins. Sie wehrte sich auch nicht mehr. Sie war gar nicht da.
    Als die Männer genug hatten, traten sie ihr in die Rippen und gegen den Kopf, mit einer lässigen, gleichgültigen Kraft, als sei sie ein Sandsack, den jemand in diese Ecke geworfen hatte. Dann ließen sie sie liegen und verschwanden in der Nacht.
    Später rekonstruierten Debbie und die Polizei, dass der ganze Überfall knappe zwanzig Minuten gedauert hatte. Zwanzig Minuten, die Debbies Leben für immer veränderten.
    Sie bestand nur aus Schmerzen. Jeder einzelne Punkt ihres Körpers tat weh, mancher etwas weniger, mancher schlimmer. Besonders heftig schmerzte ihre Nase, die vermutlich gebrochen war. Sie war vollkommen zugeschwollen, und Debbie schluckte ununterbrochen Blut, das von oben in ihre Kehle hinunterlief. Ihr Magen tat weh, ihre Rippen stachen. Sie bekam schlecht Luft, weil jeder Atemzug grausame Schmerzen in den Seiten verursachte.
    Ihr Unterleib jedoch war ein einziges Meer des Schmerzes. Kaputt, wund und blutig. Sie versuchte sich zu bewegen, wimmerte dabei und gab es schließlich auf. Sie konnte sich keinen Millimeter vom Fleck rühren. Sie zitterte vor Kälte, gleichzeitig spürte sie, dass die Haut in ihrem Gesicht glühte. Konnte es sein, dass sie Fieber und Schüttelfrost bekommen hatte? Sie fragte sich, ob sie sterben würde, wenn sie die ganze Nacht hier liegen blieb.
    Ihr Handy. Sie musste die Polizei anrufen.
    Sie richtete sich halb auf, wobei ihr vor Schmerzen die Tränen in die Augen schossen. Wo war bloß ihre Handtasche geblieben? Sie nahm an, dass sie sie hatte fallen lassen, als der erste Mann sie plötzlich von hinten packte, und da er sie dann noch ein ganzes Stück weit mit sich geschleift hatte, würde die Tasche, und somit auch das Handy, kaum in erreichbarer Nähe liegen. In ihrem Zustand stellten ein paar wenige Schritte schon ein schier unüberwindliches Hindernis dar. Völlig erschöpft sank sie zurück. Sie musste unbedingt etwas Kraft schöpfen. Sie musste irgendeine Möglichkeit finden, die unerträglichen Schmerzen zu überwinden . Sie musste zu ihrer Tasche robben. Sie brauchte Hilfe. Nicht erst irgendwann am nächsten Morgen, wenn hier die ersten Hafenarbeiter erschienen. Sie bleichen schnelle Hilfe. Sie sollte …
    Sie schrie entsetzt auf, als ein Schatten auftauchte und neben ihr niederkauerte. Sie krümmte sich zusammen und schlug beide Hände vor das Gesicht.
    »Nein! Nein! Nein!«
    »Debbie! Ich bin es! Keine Angst!«
    Sie nahm ihre Hände vom Gesicht. Sie sah einen totenbleichen Glen, der sich über sie beugte.
    Glen! Sie hätte weiß Gott nicht geglaubt, dass sie sich noch einmal so freuen würde, ihn zu sehen.
    »Glen!« Es klang wie ein Schluchzen. »Glen, bitte, ich brauche einen Arzt. Du musst die Polizei rufen. Ich kann mich nicht bewegen …«
    »Alles klar. Ich … ich rufe die Polizei … O Gott, o Gott!« Glen war völlig geschockt. Er schien unfähig, etwas wirklich Sinnvolles zu tun.
    »Die Polizei«, stöhnte Debbie. »Beeil dich doch!«
    Er schaffte es endlich, sein Handy aus der Manteltasche zu ziehen. Es war ausgeschaltet, und er brauchte drei Versuche, ehe es ihm gelang, mit seinen zitternden Fingern den Code einzugeben.
    »Ich hatte es vorsichtshalber ausgeschaltet«, erklärte er, »damit es nicht im falschen Moment klingelt.«
    »Wie … im

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