Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
Marsch durch die Nacht würde vielleicht verhindern, dass sie am nächsten Morgen Kopfweh bekam.
Sie würde etwa eine Viertelstunde bis zu ihrer Wohnung brauchen. Es war halb elf, wie sie feststellte, und die ganze Gegend lag wie ausgestorben da. Drüben von Annie’s Marina Café schimmerten noch Lichter durch die Dunkelheit. Sie musste den großen Platz gleich neben dem Pump House überqueren, dann a m Waterfront Museum und an den Yacht Brokers entlang. Um diese Zeit hielt sich dort keine Menschenseele mehr auf. Sie hörte das müde Platschen der Wellen gegen die Kaimauer, sah das Gebäude neben sich. Alles leer und verlassen. Sie beschleunigte ihre Schritte noch ein wenig. Sie war keine Frau, die sich leicht fürchtete, dennoch würde sie sich entspannter fühlen, wenn sie erst die Oystermouth Road erreicht hatte.
Sie war gerade auf der Höhe des Piers angekommen, an dem einige größere Schiffe festgemacht waren, als sie meinte, Schritte zu hören. Sie blieb stehen und drehte sich um, konnte aber niemanden sehen. Eine Laterne spendete blasses Licht. Es roch nach Wasser, Tang, nach Tauwerk, das irgendwo vor sich hin rottete. Ein wenig nach Maschinenöl.
Der vertraute Hafengeruch.
Und niemand war hier außer ihr selbst.
Sie ging noch etwas schneller, bemühte sich aber bewusst, nicht zu rennen. Sie hasste Furcht. Furcht war etwas für Schwache.
Sie hörte ganz deutlich erneut die Schritte und blieb abermals stehen. Glen wahrscheinlich. Der Kerl war eine Zecke, das hatte sie leider zu spät erkannt, sonst hätte sie ihn sofort abblitzen lassen. Er hatte sich Debbie in den Kopf gesetzt und sah jetzt nicht ein, weshalb er aufgeben sollte.
Idiot!
»Glen!«, rief sie. »Hör auf, hinter mir herzuschleichen. Hau ab! Ich bin nicht interessiert!«
Stille. Sie sah zu dem Gebäude hin. Glen war vermutlich irgendwo zwischen den Mauervorsprüngen untergetaucht. Er hatte sich bereits in ihrem Bett gesehen und kam nun mit seinen Hormonen nicht zurecht. Armleuchter!
Sie hatte keine Angst. Nicht vor diesem Würmchen. Sie machte ein paar Schritte in die Richtung, in der sie ihn vermutete, einfach um ihn zu erschrecken und um ihm zu zeigen, dass er sie nicht einschüchtern konnte.
»Verschwinde!«, rief sie.
Sie spürte eine Bewegung hinter sich, aber noch ehe sie reagieren konnte, sich umdrehen oder weglaufen oder schreien, fühlte sie sich bereits von kräftigen Armen gepackt, eine Hand legte sich über ihren Mund und verschloss ihn. Debbie wehrte sich aus Leibeskräften, wand sich wie eine Schlange und versuchte vergeblich, die Hand zu beißen, deren harte Finger sich in ihre Wange bohrten. Sie merkte, dass sie den Boden unter den Füßen verlor und wie eine ausrangierte Schaufensterpuppe über das Pflaster geschleift wurde. Gott im Himmel, war das Glen? Weder diese Kraft noch diese Entschlossenheit hätte sie ihm zugetraut. Sie strampelte mit den Beinen und erwischte das Schienbein ihres Gegners. Sie konnte ihn aufstöhnen hören, und dann zischte er: »Verdammte Schlampe!«
Es war nicht Glens Stimme.
Im nächsten Augenblick erhielt sie einen Faustschlag in den Magen, und zwar von einer zweiten Gestalt, die plötzlich aus dem Nichts auftauchte. Noch ein Mann. Die waren zu zweit. Zwei Kerle. Geschockt und verzweifelt versuchte Debbie noch immer sich zu wehren, aber sie wusste, dass sie keine Chance hatte. Sie wollte schreien, aber es kam nur ein dumpfer Laut. Ausgeschlossen, dass irgendjemand sie hören konnte.
Es folgten weitere Schläge in den Magen und in ihr Gesicht, bis der Typ, der sie festhielt, sagte: »Hör auf! Die ist sonst gleich weg, und sie soll ja noch was davon haben!«
Debbie geriet in Panik.
Sie lag auf den kalten Steinen, über sich den Sternenhimmel. Ein Mann kniete hinter ihr, presste mit seinen Beinen schmerzhaft ihre Arme auf den Boden. Noch immer hielt seine Hand ihren Mund verschlossen, sie konnte nur durch die Nase atmen, die überdies gerade nach einem der Faustschläge zuschwoll und das Luftholen schwer machte. Ihr ganzer Körper tat weh. Warmes, klebriges Blut lief über ihre Wange. Sie wimmerte, als sie den zweiten Mann sah, der wie ein gewaltiger Schatten über ihr aufragte. Jetzt erkannte sie, dass er eine Strumpfmaske über dem Gesicht trug. Er kniete ebenfalls nieder, jedoch so, dass er dabei ihre Oberschenkel spreizte und zu Boden drückte. Es tat so weh, dass sie laut geschrien hätte, wenn ihr das möglich gewesen wäre. Sie versuchte noch immer sich zu wehren, aber es war
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