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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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bekundet und war sicher im Augenblick der einzige Mensch in seinem Umfeld, der nicht einfach nur höflich zuhörte, wenn er damit anfing, oder sogar gleich entnervt abwinkte.
    »Ich wollte fragen«, fuhr er fort, »ob Sie morgen Abend schon etwas vorhaben? Wenn nicht, könnten wir vielleicht irgendwo zusammen essen? Wenn Sie mögen.«
    Die gesamten Umstände machten es nicht erforderlich, seinem Vorschlag mit Koketterie oder mit gespielter Unschlüssigkeit zu begegnen oder zumindest der Form halber zunächst meinen Terminkalender zurate zu ziehen. Natürlich hatte ich nichts vor, und ich sagte ihm das auch sogleich. Und dass ich mich freute. Er nannte ein Restaurant in West Cross, in dem es sehr gutes Essen geben sollte, und da er ja wusste, dass ich kein Auto hatte, bot er an, mich um sieben Uhr daheim abzuholen.
    So kam es, dass wir am Dienstagabend zusammen im West Cross Inn saßen, Fisch aßen, Wein tranken, wie ich es mir gewünscht hatte. Matthew hatte Max, seinen Schäferhund, mitgebracht. Ein riesiges, wunderschönes Tier mit sanften Augen. Wir hatten zunächst ein paar Minuten lang draußen gestanden, hatten über den weiten Strand und das Meer geblickt, den lichtblauen Abendhimmel und den intensiven Geruch des Frühlings in der Luft genossen. Vom Wasser her stieg kalte Feuchtigkeit auf, der Wind war frisch und kühl. Trotzdem war klar, dass irgendwann in den nächsten zwei oder drei Wochen die Natur förmlich explodieren würde, und ich spürte, mit wie viel Vorfreude mich dies erfüllte.
    Matthew hatte zunächst gezögert, das Thema Vanessa von sich aus anzuschneiden, also hatte ich das getan, und er hatte sofort reagiert. Er erzählte von jenem 23. August 2009, und ich merkte, dass dieser Tag noch immer so intensiv spürbar für ihn war, als sei es gestern gewesen. Und dass er es noch immer nicht fassen konnte. Das plötzliche spurlose Verschwinden seiner Frau war in sein Leben gekracht wie eine Bombe, unerwartet und verheerend. Obwohl mehr als zweieinhalb Jahre vergangen waren, stand er noch immer inmitten der Trümmer und konnte sich nicht bewegen.
    »Wir hatten Lauren besucht, Vanessas Mutter. Sie lebt oben in Holyhead in einem Altersheim. Sie ist völlig dement, was sich natürlich dann fast als Segen erwies, denn sie hat keine Ahnung, dass ihre Tochter verschwunden ist. Sie weiß ohnehin gar nicht mehr, dass sie überhaupt eine Tochter hat.«
    Er berichtete, dass das Wochenende anstrengend gewesen sei. »Freitagmittag fuhren wir los, Vanessa, Max und ich. Wir wohnten in einer hübschen Pension, und selbst das Wetter war gut. Wir wechselten einander mit Besuchen im Heim und mit Hundespaziergängen ab. Im Heim war es furchtbar deprimierend, zwischen all den dementen, teilweise einfach nur dahinvegetierenden Menschen. Lauren konnte uns nicht einordnen und verhielt sich ziemlich aggressiv. Für Vanessa war das natürlich schlimmer als für mich. Am Samstagabend hing sie so durch, dass ich, um sie aufzumuntern, den Vorschlag machte, am nächsten Tag an der Küste entlang nach Swansea zurückzufahren, zwischendurch die Gegend anzuschauen, irgendwo schön zu Mittag zu essen, vielleicht in einer Bucht zu baden. Das war der Grund, weshalb wir uns überhaupt in der Gegend aufhielten, in der dann … Die Gegend, wo sie verschwand. Die Polizei ritt immer wieder darauf herum. Wieso ich mit ihr zu diesem einsamen Rastplatz gefahren war. Wieso wir überhaupt die Küste hinuntergefahren waren. Schließlich handelt es sich dabei nicht um die kürzeste Strecke.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Aber die Erklärung ist doch absolut einleuchtend. Dass man einen schönen Sommertag nutzt und nicht einfach nur schnurstracks nach Hause fährt.«
    »Normalerweise schon«, sagte Matthew. »Aber in unserem Fall schien offenbar plötzlich alles verdächtig. Den Rastplatz hatte ich tatsächlich nur angesteuert, weil Max rausmusste. Ich bog von der Hauptstraße ab und suchte eine geeignete Stelle, wo man auch etwas länger laufen konnte, und dort war sie.«
    Max, der auf unseren Füßen unter dem Tisch lag, hob den Kopf, als erneut sein Name fiel. Ich streckte die Hand aus und streichelte ihn. Ich spürte seinen warmen Atem an meinen Fingern.
    »Ich schlug Vanessa vor, zusammen mit uns spazieren zu gehen«, fuhr Matthew fort, »aber sie wollte nicht. Sie meinte, sie bräuchte etwas Abstand. Weil wir … während der ganzen Fahrt heftig diskutiert und schließlich sogar gestritten hatten.«
    Ich sah ihn überrascht an.
    Er verzog das

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