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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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nichts von sich hören lassen, aber eigentlich hatte ich auch nicht damit gerechnet, dass er sich so schnell melden würde, falls er es überhaupt je tat. Am Montag musste ich wieder in die Redaktion, wo Alexia, die immer als Erste kam und als Letzte ging, schon an ihrem Schreibtisch saß.
    »Und? Wie war euer gemeinsamer Heimweg?«, fragte sie.
    Sie war meine Freundin, aber ich hatte diesmal wenig Lust auf ein Gespräch mit ihr. Matthew Willard schien mir ein ungeeignetes Thema für einen Tratsch zwischen zwei Frauen. Der Mann war so sichtlich gezeichnet von den Geschehnissen der letzten Jahre, dass ich ihn nicht als ein Objekt sehen wollte, dessen Aussehen, Charakter und womöglich noch Bankkonto ausgiebig diskutiert wurden. Alexia sah ihn zweifellos als möglichen Beziehungskandidaten für mich, aber obwohl ich ihn gerade erst kennengelernt hatte, verfügte ich wohl diesmal über den schärferen Blick: Matthew schien mir kaum fähig, eine neue Beziehung, ganz gleich mit wem, einzugehen. Weil er noch immer Teil einer längst bestehenden Verbindung war, wenngleich sie unwirklich und erstarrt und voll grausamer Ungewissheit war. Dennoch war er mir alles andere als gleichgültig.
    »Wie soll es gewesen sein? Er hat mich nach Hause gefahren, ich bin ausgestiegen und in meine Wohnung gegangen. Wo ich übrigens Garrett auf dem Anrufbeantworter vorfand!«
    »Ach?« Das wollte Alexia jetzt genau wissen. Sie war Garrett vor Jahren einmal begegnet, und aus unseren stundenlangen Gesprächen kannte sie jedes Detail unseres Scheiterns, wusste Bescheid über alle Kämpfe, Versöhnungen und neue Kämpfe. Daher interessierte sie auch die neueste Entwicklung.
    Das Ablenkungsmanöver war geglückt. Wir sprachen über Garrett statt über Matthew, und dann begann schon die erste Konferenz, sämtliche Telefone klingelten, und der normale Redaktionsalltag brach mit Macht über uns herein. Alexia steckte bis zum Hals in Terminen und konnte sich nicht einmal für eine schnelle Mittagspause mit mir freimachen. Auch ich arbeitete durch, holte mir nur ein Sandwich aus dem Supermarkt und aß es am Schreibtisch. Hungrig und ziemlich erschöpft kehrte ich abends nach Hause zurück. Ich hatte kaum einen Topf mit Wasser auf den Herd gestellt, um mir Nudeln zu kochen, als das Telefon klingelte.
    Es war Matthew Willard.
    »Hallo«, sagte er, »hier ist Matthew. Störe ich gerade?«
    »Nein. Nein, überhaupt nicht.« Ich war etwas aufgeregt und hoffte, dass man es meiner Stimme nicht allzu sehr anhörte. »Wie geht es Ihnen?«
    »Danke. Alles okay. Und bei Ihnen?«
    »Auch. Der Tag war anstrengend. Montag eben.«
    »Na ja, aber es ist auch immer ein gutes Gefühl, das Wochenende hinter sich zu haben«, sagte er, und ich dachte, dass er wahrscheinlich immer schon von Freitagnachmittag an dem Beginn der nächsten Woche entgegenfieberte. Für viele allein lebende Menschen stellen Samstag und Sonntag eine echte Herausforderung dar, und sie sind heilfroh, wenn sie diese beiden Tage irgendwie überstehen. Hätte ich Alexia und Ken und ihrer beider liebevolle Fürsorge nicht gehabt, es wäre mir den Winter über genauso gegangen. Bei Matthew kam noch hinzu: Er war nicht einfach nur Single. Er hatte seine Frau auf eine Art verloren, die es ihm unmöglich machte, mit ihr abzuschließen. Er rätselte immer noch, was mit ihr geschehen war, grübelte, fasste wahrscheinlich immer wieder Pläne, was er noch tun könnte, um etwas über ihren Verbleib herauszufinden, verwarf diese dann wieder, weil sie zu abenteuerlich, zu verrückt oder auch einfach zu wenig erfolgversprechend waren. Vermutlich war in den vergangenen zweieinhalb Jahren alles getan worden, was man tun konnte. Ich ahnte, dass es Matthew mit den Menschen in seiner Umgebung so erging wie mit Alexia, die ja mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, dass er ihrer Ansicht nach endlich wieder nach vorne schauen musste: Man selbst hatte mit der ganzen Geschichte abgeschlossen. Man war zum Alltag zurückgekehrt, lebte sein normales Leben und erwartete von Matthew, dass er dasselbe tun sollte. Das machte ihn doppelt einsam. Er war sensibel und feinfühlig genug, um zu spüren, dass niemand mehr über seine verschwundene Frau sprechen wollte, deshalb schnitt er das Thema nicht mehr an, aber das bedeutete, dass er es nun nur noch in seinem Kopf, in seinen Gedanken wälzen konnte.
    Und vor allem deshalb, da machte ich mir wenig Illusionen, rief er mich auch an. Ich hatte Interesse an seiner Tragödie

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