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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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er im Gästezimmer, schloss nachdrücklich die Tür hinter sich. Sofort fühlte er sich besser. Der Raum hatte etwa die Größe seiner Zelle. Geschlossenes Fenster, wenn auch ohne Gitter, geschlossene Tür. Er begriff erst in diesem Moment, welchen Schutz das Gefängnis, das er so gehasst, aus dem er sich mit aller Kraft hinausgesehnt hatte, ihm gegeben hatte.
    Er fühlte sich verwundbar wie ein neugeborenes Kind. Hilflos. Als Teil einer Welt, zu der er den Bezug verloren hatte.
    Und Nora konnte ihm nicht helfen. Sie machte es eher schlimmer mit all ihren Bemühungen, Angeboten, mit den Forderungen und Erwartungen, die sich darin verbargen.
    Es war alles zu viel. Einfach zu viel.
    Er ließ sich auf das Bett fallen. Endlich konnte er weinen.
    5
    »Vergiss es«, sagte Deborah zu dem Mann, der sie schon die ganze Zeit über angebaggert hatte und nun darauf beharrte, sie nach Hause begleiten zu wollen. »Ich geh alleine, kapiert? Ich schlafe auch allein! Ich steh nicht auf dich!«
    Er sah sie verletzt an. Er hatte sie fünf Minuten, nachdem sie das Pump House betreten hatte, angesprochen und war dann nicht mehr von ihrer Seite gewichen. Was Deborah zunächst ganz gut gefallen hatte. Er wollte ihre Drinks bezahlen, was sie jedoch nicht annahm, aber er holte ihr neue Zigaretten und starrte sie an, als wäre sie eine Erscheinung. Deborah wusste, dass sie richtig gut aussah, zumindest dann, wenn es ihr gelang, ihre verhasste hellblonde Naturkrause einigermaßen glatt zu bekommen, aber sie war inzwischen dreißig Jahre alt, und im Pub hingen auch ein paar deutlich jüngere Frauen herum. Es schmeichelte ihr, dass Glen – mit diesem Namen hatte er sich vorgestellt – dennoch ganz offenkundig nur Augen für sie hatte.
    Deborah, oder Debbie , wie ihre Freunde sie nannten, war müde an diesem sp äten Montagabend. Sie arbeitete für ein Gebäudereinigungsunternehmen und hatte seit dem frühen Nachmittag Dienst gehabt. Zuerst war eine Schule drangewesen, später eine Firma, durch deren Büroräume, auf vier Etagen verteilt, die Kolonne gezogen war, nachdem dort alle Mitarbeiter nach Hause gegangen waren. Um neun Uhr hatte Debbie den Heimweg angetreten und war einem spontanen Entschluss folgend noch rasch in dem Pub, das an der Swansea Marina gelegen war, eingekehrt. Daheim wartete niemand auf sie, und sie hatte Lust auf einen starken Drink. Früher war sie mit Ryan öfter hier gewesen, aber sie erlaubte sich keine sentimentalen Gedanken. Die Zeiten hatten sich geändert.
    Glen hatte sie ganz nett unterhalten, aber nun wollte er nicht begreifen, dass der Abend vorbei war.
    »Ich will nur mitkommen«, beharrte Glen. »Es ist spät. Ein Mädchen sollte zu dieser Stunde nicht mehr allein durch die Straßen laufen!«
    Debbie hätte fast laut losgelacht. Mädchen war ein netter Begriff für eine dreißigjährige Frau. Offenbar hielt Glen sie für weit jünger, als sie war, was ihn ihr wieder etwas sympathischer machte. Aber insgesamt war er ein Schleimer, und sie hatte keine Lust auf ihn. Und dass sie nicht allein draußen herumlaufen sollte … Als ob sie je einen Beschützer gebraucht hätte! Oder ihn sich gewünscht hätte.
    Sie rutschte von ihrem Barhocker und stellte augenblicklich fest, dass sie ein bisschen zu viel getrunken hatte. Sie fühlte sich nicht ganz sicher auf den Beinen. Aber egal, bis nach Hause würde sie es schaffen.
    »Ich kann ziemlich gut auf mich selbst aufpassen«, sagte sie. »Mach dir noch einen schönen Abend und schau mal, ob du nicht ein anderes Mädchen aufreißen kannst. Sitzen ein paar einsame Frauen hier herum. Da hast du bestimmt mehr Chancen als bei mir!«
    »Aber du gefällst mir«, beteuerte Glen. Er hatte rote Wangen bekommen, und seine Krawatte hing schief. De bbie war inzwischen fast sicher, dass er verheiratet war, vermutlich geschäftlich in Swansea zu tun hatte und die Gelegenheit nutzen wollte. Sie konnte solche Typen nicht ausstehen. Debbie war für absolute Treue, alles andere ekelte sie an. In der einzigen Langzeitbeziehung, die sie zustande gebracht hatte, in den vier Jahren mit Ryan, war sie hundert Prozent treu gewesen und Ryan auch, soweit sie es wusste.
    Glen sah ihr aus traurigen Augen nach, als sie das Pub verließ. Draußen erschauderte sie kurz und zog den Kragen ihrer Jacke enger um den Hals. Die Tage waren frühlingshaft, aber nachts wurde es noch immer recht kalt. Die frische Luft würde ihr jedoch guttun. Das letzte Glas war eindeutig zu viel gewesen, aber ein strammer

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