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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Scheibe platt. Das dunkle Innere des Hauses gab seine Geheimnisse nicht preis. Geschlagen rannte sie zu Achal zurück.
    »Lass uns verschwinden. Mir kommt es hier nicht geheuer vor«, flüsterte er.
    »Im Wald hattest du keine Angst. Was ist los? Hast du jemanden gesehen?«
    »Nein. Aber ich spüre etwas Böses.«
    Tara überlief es kalt. Natürlich war dieses Haus böse, wie sollte es anders sein? Aber Achal mit seinen feinen, vom Dschungelkampf geschulten Fühlern hatte offensichtlich noch etwas anderes gemeint. Etwas Greifbareres. Dann hörten sie die Schreie.
    Leise, wie aus weiter Ferne, wehten sie zu ihnen herüber. Tara und Achal sprangen zeitgleich auf die Füße.
    »Bleib hier«, zischte Achal. »Ich sehe allein nach.«
    »Ich denke nicht daran.« Tara folgte ihm lautlos zum hinteren, im Gegensatz zu den gepflegten Beeten und Bäumen des Parks völlig verwilderten Teil des riesigen Grundstücks. Der Schrei war aus diesem Dickicht erklungen. Sie entdeckten einen ausgetretenen Pfad und, nach kaum zwanzig Metern, ein heruntergekommenes Gebäude. Es war wesentlich kleiner als das Haupthaus, wahrscheinlich ein ehemaliges Dienstbotenhaus mit wenigen Räumen. Aus einem der ihnen zugewandten Fenster drang schwaches Licht und Stimmengemurmel. Wieder ertönte ein erstickter Schrei. Voller Angst drückten sich Tara und Achal abseits des Pfades ins Unterholz.
    »Ich spähe durchs Fenster«, schlug Tara vor, aber Achal wollte nichts davon wissen. Sie berieten noch darüber, was sie tun sollten, als die Tür aufgestoßen wurde. Der herausfallende Lichtschein schnitt die Silhouette eines kräftigen Mannes aus der Dunkelheit. Tara und Achal zogen sich noch weiter in die Schatten der Büsche zurück und warteten.
    »Vergiss ihn. Der ist hin«, sagte der Kräftige zu einem anderen im Inneren des Häuschens.
    Er bekam eine Antwort, die Tara aber nicht verstand. Dann sprach der Kräftige erneut: »Ist doch egal. Er hat dem Boss alles Wichtige erzählt, wir brauchen ihn nicht mehr«, und dann, nach einer weiteren unverständlichen Antwort, platzte ihm der Kragen. »Lass ihn liegen, verdammt noch mal! Der krabbelt nirgendwo mehr hin. Wir bringen ihn mit dem Transporter zu den Raben.«
    Ein weiterer Mann trat vor die Tür, schmaler als der andere. »Shyam hat den Transporter mitgenommen«, sagte er mürrisch. »Wir müssen ihn erst holen.«
    »Was für eine Scheiße ist das denn? Aber nicht zu ändern. Ich hole den Transporter, und du wartest hier. Spätestens in einer Stunde bin ich zurück.«
    »Nein, ich begleite dich. Habe keine Lust, von seinem Geist heimgesucht zu werden«, sagte der Schmale mit einem Nicken in Richtung des Raumes.
    »Dann komm eben mit.«
    Der Schmale knipste das Licht aus. Sofort war es wieder stockdunkel in dem Dickicht. Die beiden Männer fanden den Pfad blind. Tara hielt den Atem an, als sie an ihr vorbeigingen, so nahe, dass es ausgereicht hätte, die Hand auszustrecken, um sie zu berühren. Dann waren sie fort, die Stimmen verloren sich. Achal folgte ihnen in geringem Abstand, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich gingen.
    Die wenigen Minuten bis zu Achals Rückkehr erschienen Tara wie Stunden. Ihre Gedanken überschlugen sich. Wen hatten die Männer in diesem Haus zurückgelassen? Und warum war es jetzt so still, dass sie die Fledermäuse durch die Luft zischen hörte? War der Mann tot? Tara zog ihr Tuch fest um den Oberkörper, um das Zittern zu mildern, doch es rührte nicht von der Kälte her. Sie hatte grauenhafte Angst vor dem, was sie im Haus finden mochten.
    »Ich gehe jetzt hinein. Sie sind tatsächlich weg, aber wir sollten uns beeilen.« Tara erschrak. Sie hatte Achal nicht kommen hören, doch jetzt dröhnte sein Schnaufen wie das Trompeten von Elefanten. Er muss gerannt sein, um schnell wieder bei mir zu sein, dachte Tara dankbar und erhob sich. Gemeinsam näherten sie sich der Tür. Sie war abgeschlossen.
    »Und jetzt?«
    »Gib mir dein Tuch.«
    »Was willst du tun?« Tara reichte es ihm. Kurz darauf zerbrach ein Klirren die Nacht. Tara hörte Achal fluchen, dann klirrte noch mehr Glas, es gab einen dumpfen Knall und Geschepper, und kurz darauf flammte eine einzelne Birne auf. Tara streckte den Kopf durch das jetzt glaslose Fenster. Und schrie, schrie ihr Entsetzen in den zur Hälfte mit Gartengeräten vollgestopften Raum.
    Die andere Hälfte schwamm in Blut.

[home]
40
    A nna stand wie verabredet vor der Annapurna Lodge und wartete auf den Sadhu. Er kam nicht. Viertel nach sieben.

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