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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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»Gefällt es euch hier?«, fragte er.
    »Merkt man das nicht? Ich bin beeindruckt«, sagte Sylvain und ließ seine rechte Hand in einer Bauernhäuser und Felder, Greifvögel und Schneeberge umfassenden, theaterreifen Geste durch die Luft gleiten. »Am liebsten würde ich einfach losstürmen, mich zu den hohen Bergen aufmachen und hinter dem Horizont nach Hiltons Shangri-La suchen!«
    »Wirklich?« In Moons Stimme hatte sich eine erwartungsvolle Spannung geschlichen. »Und du, Akkim?«
    »Ich wäre dabei«, sagte er lachend. »Aber du führst doch etwas im Schilde?«
    »Im Schilde? Was meinst du damit?«, fragte der Nepalese verwirrt.
    »Nur eine Redensart. Ich möchte wissen, warum du fragst.«
    Moon wurde ernst und spielte mit den Senkeln seiner abgetragenen Halbschuhe, die er von einem Hippiemädchen geschenkt bekommen hatte. »Ich habe Sehnsucht nach meinem Zuhause«, sagte er leise. »Seit fünf Jahren habe ich meine Familie nicht mehr gesehen, weiß nicht einmal, ob meine Eltern noch leben.« Er zerrte an dem Schnürsenkel, bis er riss. Dann hob er den Kopf. »Ich habe kein Geld und kann mir die Reise nicht leisten, und da dachte ich –« Er stockte.
    »Da dachtest du, wenn wir dich begleiten und für dein Essen und deine Unterkunft aufkommen, wäre es möglich«, beendete Achim den Satz für ihn.
    Moon nickte unglücklich.
    »Zieh nicht so ein Gesicht. Ich finde die Idee ziemlich gut. Sylvain, was meinst du?«
    Sylvains Augen leuchteten. »Wann geht’s los? Und wo liegt dein Dorf eigentlich?«
     
    »Du! Du hast ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt!« Babsi trommelte außer sich auf Achims Brust, bis er ihre kleinen Fäuste packte und sanft nach unten drückte. Er wünschte, sie würde sich zusammenreißen. Sie war auf ihn zugestürmt, als er gerade vom Einkaufen kam, und nun standen sie mitten auf der Jhochhen Thole. Achim spürte die neugierigen Blicke der Passanten. Obwohl es ihn sonst wenig kümmerte, was andere über ihn dachten, war ihm die Situation unangenehm.
    Sobald Babsi sich ein wenig beruhigt hatte, dirigierte er sie ins Snow Man Café. Zum Glück war das Café fast leer, die meisten Hippies schliefen noch. Achim führte Babsi zu einem Tisch an der hinteren Wand und bat Ram im Vorübergehen, ihnen Apfelsaft zu bringen. Dann reichte er über die Tischplatte und nahm Babsis Hände in seine.
    »Sylvain hat dir also von unseren Plänen erzählt. Und sie gefallen dir nicht«, stellte er fest.
    »Wie könnten sie mir gefallen?«, fragte sie und sank tief in ihren Stuhl. Ihr grüner Schal verschmolz mit den grün abgehängten Wänden des an eine gemütliche Höhle erinnernden Cafés, und Achim bekam plötzlich Angst, sie könnte sich vor seinen Augen auflösen. Unwillkürlich verstärkte er seinen Druck auf ihre Hände.
    »Au! Du tust mir weh.«
    »Entschuldige.« Achim lockerte den Druck, ließ sie aber nicht los, als wollte er verhindern, dass sie davonflatterte. »Ich bin froh, dass er sich getraut hat, es dir zu beichten. Ich möchte mit dir darüber sprechen.«
    »Was gibt’s da schon zu sagen? Ihr geht ja doch fort.« Babsis Mund zuckte.
    »Nein, das tun wir nur, wenn du uns deinen Segen gibst. Und genau das haben wir zu besprechen.«
    Sie zog den Schal dichter um sich. »Ich bin gespannt«, sagte sie bitter.
    Und dann redete er und redete und redete. Versuchte ihr klarzumachen, dass es kein Zeichen erkaltender Liebe war, wenn Sylvain Zeit für sich beanspruchte, und wie viel ihm daran lag, in die Berge zu gehen.
    »Mehr als an mir«, warf Babsi ein, aber sie wirkte schon weniger verzweifelt.
    »Das ist Unsinn, und du weißt es. Er wird vier Wochen fort sein, da bleiben noch locker vierzig Jahre für euch. Und sollte er den Bergmädchen schöne Augen machen, werde ich ihm den Kopf zurechtrücken.«
    Endlich zeigte sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht. »Ich bin froh, dass du dir so viel Mühe gibst,
meinen
Kopf zurechtzurücken.«
    Erleichtert lehnte er sich zurück. »Heißt das, du lässt uns ziehen?«
    Sie nickte.
    »Und du wirst dich hier in Kathmandu nicht im Zimmer einschließen, sondern dir eine schöne Zeit machen?«
    »Ich werde es zumindest versuchen. Reicht dir das?«
    »Knapp«, sagte er.
     
    Zwei Wochen später, an einem sonnigen Morgen Anfang März, waren sie aufbruchbereit. Pieter und Babsi begleiteten Sylvain, Achim, Moon und Ganesh, einen Freund von Moon, der ebenfalls seinem Heimatdorf in der Gorkha-Region einen Besuch abstatten wollte, in die Felder westlich von Kathmandu. Achim

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