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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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große Stadt gekommen. Er muss völlig verdattert gewesen sein, als der Typ seinen 2 CV aus dem Bus geladen hat.« Achim beugte sich nach unten und hob seine gewebte Umhängetasche auf den Schoß. »Ich war bei D. D. Sharma einkaufen«, sagte er und legte mehrere kleine Päckchen auf den Tisch. »Ihr seid eingeladen und könnt wählen: Temple Balls, Terai Flower Tops, Parwati Charesh.«
    »Du liebes bisschen! Damit können wir die ganze nächste Woche um den Mond fliegen.« Pieter öffnete eines der Päckchen, zog sein Chillum hervor, drückte einen großen Haschklumpen hinein und entzündete ihn. »Dank dem edlen Spender«, sagte er und gab die Tonpfeife an die neben ihm sitzende Bärbel weiter. Wenig später schwebten sie tatsächlich und brachen bald auf. Die nächste Station war der Snow Man, ein winziges Café in einer der Seitenstraßen der Jhochhen Thole, in dem der Besitzer Ram frische Fruchtshakes verkaufte. Trotz der Kälte hatten sich an die hundert junge Hippies vor dem gerammelt vollen Café niedergelassen, rauchten, spielten Gitarre, sangen, tanzten und brachten den ohnehin kaum vorhandenen Autoverkehr vollends zum Erliegen. Mehrere junge Nepalesen stolzierten in ihren Jeans, die sie zuvor den Hippies abgekauft hatten, durch die Menge und versuchten, möglichst cool auszusehen.
    Bärbel kicherte, als ihr Moons blumenbestickte Hose auffiel. Er musste sie Pieter abgehandelt haben und hatte noch nicht die Zeit gefunden, sie zum Schneider zu bringen. Die Hose war ihm viel zu weit und zu lang, und er war ständig dabei, sie wieder über seine mageren Hüften hochzuziehen. Sie ließen sich am Rande der Party nieder und befüllten erneut die Pfeifen. Der Kreis wurde immer größer, jemand schleppte Holz heran und entzündete ein Lagerfeuer. Plötzlich nestelte ein junger Mann seinen Reisepass aus der Umhängetasche und hob ihn hoch. Nachdem er sich der Aufmerksamkeit seiner Freunde sicher war, warf er ihn mit großer Geste ins Feuer.
    »Ich lasse mich nicht mehr aus dem Paradies vertreiben!«, rief er. In dem aufbrandenden Jubel flogen weitere Pässe in die Flammen. Die Stimmung war prächtig, bis Anita plötzlich in ihrer Mitte auftauchte. Bärbel riss erschrocken die Augen auf. Anita, noch vor zwei Monaten ein attraktives junges Mädchen, hatte sich in einen Geist verwandelt. Bärbel hatte die Schwäbin einige Zeit nicht gesehen und war entsetzt über ihr verwahrlostes Äußeres, die verfilzten Haare und die schmutzige Kleidung, mehr aber noch über ihre aschfahle Haut. Sie torkelte auf Achim zu und fiel ihm um den Hals. Lallend versuchte sie ihm etwas mitzuteilen, doch Achim runzelte nur die Stirn und schob sie beiseite. Als sie nicht lockerließ, griff Moon dem Mädchen unter die Achseln und zog es auf die Beine. Sie schwankte und lehnte sich schwer auf seine Schulter, noch immer lallend. Entsetzt bemerkte Bärbel einen an ihrem Mund hängenden Speichelfaden. Anita hatte völlig die Kontrolle über sich verloren. Mit sanftem Druck zog der kleine Nepalese sie aus dem Lichtkreis der Party und verschwand mit ihr um die nächste Ecke. Bärbel und die anderen starrten wortlos ins Dunkel, in dem die beiden verschwunden waren. Es dauerte lange, bis sich das Unbehagen legte.
    Moon kam nach einer Stunde zurück. In seiner schwerverständlichen Mischung aus Englisch und Nepalesisch, gewürzt mit ein paar eingeworfenen Brocken Deutsch erzählte er, er habe Anita in ihr Hotel in der Pig Alley zurückgebracht. Dort wären einige Leute gewesen, die sich nun um sie kümmerten. Beruhigt nickten die anderen und nahmen tiefe Züge aus dem kreisenden Chillum. Als die Reihe an Bärbel war, lehnte sie ab, ebenso Sylvain.
    »Ich glaube, ich sollte etwas kürzertreten«, sagte sie. »Anita muss eine Unmenge Marihuana geraucht haben, um so draufzukommen.«
    »Marihuana?«, fragte Sylvain leise. »Babsi, das war Heroin. Und ich frage mich ernsthaft, ob Moon und Achim etwas damit zu tun haben.«
     
    Im neuen Jahr wurde es kälter, blieb aber trocken. Dunst und Staub stiegen von der indischen Ebene auf und hüllten die über Kathmandu wachenden Himalaya-Riesen in einen undurchsichtigen Schleier. Bald nahmen die Tage überhand, an denen der Dunst selbst den Bergkranz des Tals verbarg. Der Boden trocknete aus, wurde rissig und lechzte nach Regen, doch der Monsun würde noch Monate auf sich warten lassen.
    Bärbel saß auf den Tempelstufen am Durbar-Platz und ließ sich von der Februarsonne wärmen. Sie war ratlos. Irgendetwas stimmte

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