Im Tal des wilden Eukalyptus
erkennbar, weil die Sonne auf dem Wasser glitzerte, wand sich der schmale Fluss. Es war wunderschön.
Joey lag warm und schwer an ihrer Brust und trank. Sie hatte ihn aus seiner Umschnürung herausgenommen und nur frisch gewickelt, so dass seine nackten Arme und Beine sich jetzt frei bewegen konnten. Sanft strich sie über seinen Kopf, über das flaumig zarte, dunkle Haar. Roch den unverwechselbaren Duft ihres Kindes und glaubte zu platzen vor lauter Glück. Als lebte sie in einer friedvollen, zeitlosen Blase, weit entfernt von allen Fährnissen dieser Welt; alles war vergessen, was hinter ihr lag.
Sie wusste, dass dieses Glück nur von kurzer Dauer sein konnte. Irgendwann würde die Wirklichkeit sie wieder einholen, und dann würde sie zurückkehren müssen in das wahre Leben. Aber sie vermied es, solchen Gedanken zu lange nachzuhängen. Hier, an diesem magischen Ort, wol lte sie nur für den Augenblick leben.
Mit den Augen folgte sie der Linie ihrer ausgestreckten Beine und betrachtete erneut die Umrisse der beiden Figuren, die fast einen Zoll tief in den felsigen Boden geritzt worden waren. Die eine stellte ein Känguru dar, dem ein Speer im Rücken steckte, die andere einen Mann, eindeutig zu erkennen an dem mächtigen Geschlechtsteil, das wie ein drittes Bein wirkte. Daneben verliefen einige vereinfacht dargestellte FuÃabdrücke.
Dies war sicher das Werk von Eingeborenen. Wie alt dies e Felsgravuren wohl waren? Und wozu dienten sie? Möglicherweise waren es Jagdszenen oder Abbildungen von Ahnengeistern. Moira wusste nicht viel über den Glauben und die Mythen der Ureinwohner. Nur das wenige, was Joseph ihr einmal erklärt hatte. Sie versuchte sich vorzustellen, wie die Menschen sich hier versammelt hatten, um diese Gravuren herzustellen. Wie sie zuerst nur feine Umrisse in den Fels geritzt hatten. Wie sie dann entlang dieser Linien viele kleine Löcher in den weichen Sandstein gebohrt hatten. Wie sie mit einem scharfen Stein die Linien entlanggefahren waren und die Löcher miteinander verbunden hatten.
Moira griff neben sich und steckte sich die letzte leuchtend rote Beere in den Mund. Sie hob den Blick, versuchte, in dem Gewirr aus Baumwipfeln und Ãsten etwas anderes als nur Wildnis zu erkennen. Wie schon zuvor sah sie niemanden. Und doch wusste sie, dass sie nicht allein war.
Moira hatte einen groÃen Schrecken bekommen, als sie gestern Morgen mit Joey von einem kurzen Gang an den Bach zurückgekommen war. Niemand war zu sehen, und doch lag neben ihrem Schlafplatz ein Blätterpäckchen. Als sie es öffnete, fanden sich darin eine Handvoll roter und orangefarbener Beeren sowie ein paar sorgfältig gesäuberte Wurzeln. Sie hatte erst gezögert, aber der Hunger hatte sie zugreifen lassen. Die Beeren schmeckten saftig und säuerlich, und die Wurzeln waren zart und sättigend. Wer immer ihr dieses Geschenk gemacht hatte, war ihr offenbar freun dlich gesinnt.
Joey hatte genug getrunken. Behutsam löste sie ihn von ihrer Brust und lieà ihn an ihrer Schulter ruhen, bis er auf gestoÃen hatte. Dann packte sie ihn wieder in ihr Tragetuc h und erhob sich, um noch ein paar von den süÃen Beeren zu pflücken.
Dafür musste sie sich nicht weit von ihrem Lagerplatz entfernen. Sie ging über einen Teppich von Rinde, die sich in groÃen Flecken von den hier dichtstehenden Bäumen gelöst hatte, tauchte ein in das schattige Dickicht unter den Eukalyptusbäumen, atmete die würzig duftende Luft ein. Ãber ihr schlossen sich die dunkelgrünen Blätter wie ein Dach. Schnell hatte sie gefunden, was sie suchte. Den Strauch hatte sie bereits gestern entdeckt; er trug dieselben Beeren wie die, die ihr ihr unbekannter Gönner hingelegt hatte.
Sie wollte gerade nach den roten Früchten greifen, als sie zusammenzuckte: Ein leiser Knall, wie ein weit entfernter Musketenschuss, hallte durch den Busch. Als gleich darauf jedoch ein fröhliches Tirilieren zu hören war, entspannte sie sich, ahnte sie doch, wer für diese Geräusche verantwortlich war.
Sie ging weiter, dem Gesang nach. Vorsichtig bog sie einen Strauch zur Seite, und richtig: Dort, auf einer kleinen, freigescharrten Lichtung, stolzierte ein groÃer, fasanähnlicher Vogel herum, den zwei lange, silbrig und braun gestreifte Schwanzfedern schmückten. Als er Moira sah, zwitscherte er laut, blieb stehen, beugte sich vor und entfaltete seine
Weitere Kostenlose Bücher