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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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sogar sein Leben. In Irland hatte er von einem Mann gelesen, der wegen Sodomie gehängt worden war.
    Während er seinen Dienst im Lazarett wie ein Schlafwandler versah, glaubte er überall misstrauische, wissende Blicke zu spüren. Viel gab es nicht zu tun: Verbände wechseln, ein paar Wunden säubern, einigen an der Ruhr oder Skorbut erkrankten Seeleuten Arznei verabreichen. Dann kehrte er wieder zurück in den kleinen Aufenthaltsraum, wo er voll innerer Unruhe auf und ab lief. Sein Herz raste, sein Atem ging schwer. Er war verzweifelt, wusste nicht, was er tun sollte. Nur eines wusste er: Er würde den kleinen Henry, seinen Sohn, nicht wieder hergeben.
    Aber welche Möglichkeiten hatte er? Wie er es drehte und wendete: Wenn er Henry behalten wollte, blieb ihm nur ein Ausweg. Er musste Neusüdwales verlassen und mit dem Jungen nach Europa zurückkehren. Und zwar so schnell wie möglich, bevor Moira Verdacht schöpfen konnte. Immerhin hatte sie ihm kein Ultimatum gesetzt. Noch nicht.
    Wentworths Vorhaben, seine Söhne nach England zu schicken, erschien ihm da wie ein Wink des Himmels. Vielleicht könnte er ja sogar mit den beiden Kindern reisen? Ihr Vater wäre sicher froh, wenn sich ein Bekannter der beiden annähme – vorausgesetzt natürlich, Wentworth würde sich nicht doch noch als derjenige herausstellen, der ihn nachts im Lazarett beobachtet hatte.
    Sein Magen krampfte sich zusammen, als er sich über die weiteren Konsequenzen klarwurde: Er müsste alles zurücklassen, was er sich hier aufgebaut hatte. Und er würde Duncan nie wiedersehen. Aber so würde er endlich von ihm loskommen und von den Versuchungen, die dadurch auf ihn lauerten. Und nachdem Moira inzwischen sicher auch mit Duncan geredet hatte, konnte Alistair ihm ohnehin nicht mehr unter die Augen treten.
    Je länger er darüber nachdachte, desto erstrebenswerter erschien ihm die Rückkehr nach Europa. Er würde wieder ganz von vorne anfangen, vielleicht in Cork oder sogar ­direkt in London. In England oder Irland hätte er bei weitem mehr Möglichkeiten für seine Forschungen als hier, wo er jedes Mal Monate auf eine Lieferung warten musste. Dieses wilde, heiße Land mit seinen rauen Sitten hatte ihm ohnehin nie behagt. Er würde keine Schichten mehr im Lazarett ableisten müssen. Er würde keine zerschundenen Sträflinge, keine von der Peitsche zerfetzten Rücken mehr behandeln müssen.
    Die Lähmung, die ihn seit Stunden befallen hatte, wich einer schwachen Zuversicht. Er konnte wieder besser atme n, und auch sein Herzschlag fand zu seinem normalen Takt. Nach einer weiteren Runde durch den Krankensaal zog er sich erneut zurück, griff nach Papier, Tinte und Feder und machte sich daran, in wohlgesetzten Worten ein Schreiben an Gouverneur King zu formulieren. Wenn er Glück hatte, gab der Gouverneur seinem Antrag auf Beurlaubung statt und erlaubte ihm auszureisen. Das würde ihm Zeit genug verschaffen, um seine weiteren Schritte zu planen.
    Und auch für ein anderes Problem war ihm eine Lösung eingefallen. Als er an diesem Abend nach Hause zurückkehrte, nahm ihm Ann Hut und Mantel ab und verschwand dann schnell wieder in der Küche. Alistair folgte ihr. Der kleine Henry saß, in einen Kittel gekleidet, auf dem Boden und spielte mit einem Kochlöffel, während die junge Frau geschäftig in zwei Töpfen rührte, aus denen es appetitlich roch.
    Â»Das Essen ist gleich fertig, Dr. McIntyre«, ließ sie verlauten. »Und Mrs Harris hat gesagt, Henry sei heute zum ersten Mal ein paar Schritte an der Hand gelaufen.«
    Â»Das ist sehr erfreulich«, gab Alistair zurück und setzte sich auf die einfache Bank, die in der Küche stand. Er war selten hier; dies war das Reich von Ann, Henry und der Amme. Er sah zu, wie sein zehn Monate alter Sohn sich mit beiden Händen an einem Schrank hochzog, zum Stehen kam, ihn anstrahlte und an den Griff einer Schublade patschte. Dann plumpste der Junge wieder auf sein Hinterteil, wedelte begeistert mit den Armen und brabbelte Unverständliches vor sich hin.
    Â»Ann, lass die Töpfe einen Augenblick stehen und setz dich zu mir.«
    Die junge Sträflingsfrau sah erstaunt auf. Dann knickste sie, zog den Topf vom Herd und ließ sich auf der äußersten Kante der Bank nieder.
    Alistair räusperte sich; zu seinem Erstaunen bemerkte er, dass sein Herz vor Aufregung etwas schneller

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