Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Lebenselixier, das sie vor einem schleichenden Tod bewahrte. Mit neuer Energie machte sie sich an die Planung und stellte eine Liste auf mit dem, was sie brauchten. Auf dem Scheunenboden lagerte der Reichtum, den sie sich in ihrer ersten Zeit in Neuseeland erarbeitet hatte. Acht riesige Ballen bester Wolle. Father Blake empfahl ihr einen Händler namens Terry, der im Frühjahr den Lake Tarapunga befuhr. Gegen die Wolle sollte sie bei ihm Dinge eintauschen, mit denen sich gut Handel treiben ließ. Kupferkessel, Sicheln, Äxte, Patronen und vor allem Gewehre waren begehrte Güter. Wenn Johanna wirklich mit Schnitzereien handeln wolle, so erklärte der Missionar, dann brauche sie zuallererst Tauschwaren.
Thomas schien erstaunt, wie geschäftstüchtig seine Frau war. Er bot Johanna sein Geld und seine Hilfe an, doch sie lehnte ab. Sie wollte es selber schaffen, mit dem, was sie durch die Schafzucht erwirtschaftet hatte, und ihren, dank Hariata und Father Blake, guten Kontakten zu den Einheimischen.
» Father, ich möchte Sie um Ihren Rat bitten « , sprach sie den Missionar am Abend vor seiner Abreise an. Johanna und ihr Gast waren allein. Thomas hatte sich zurückgezogen, um einige Briefe zu verfassen, die er dem Missionar mitgeben wollte.
Father Blake musterte sie lange, bis Johanna das Gefühl hatte, durchsichtig zu sein wie Glas. Ein zerbrechliches Gefäß, in dem sich ihre Schuld wie ein hässlicher schwarzer Makel abzeichnete.
» Ich sehe schon die ganze Zeit, dass etwas schwer auf Ihnen lastet, mein Kind. Ganz gleich, ob Sie meinen Rat als Priester oder Freund suchen. Es spricht sich immer leichter unter Gottes freiem Himmel als in der bedrückenden Enge eines menschlichen Heims. Begleiten Sie mich hinaus? Die Nacht ist schön. «
Johanna nickte schnell, schlüpfte in ihre Schuhe und legte sich ein wärmendes Schultertuch um. War es so auffällig, dass sie sich von Thomas’ Nähe eingeengt fühlte?
Father Blake wartete bereits an der Tür. Sie trat in die Kühle der Nacht und legte den Kopf in den Nacken. Dann schloss sie für einen Moment die Augen und atmete tief durch. Die Dunkelheit war voller Geräusche. Leise blökten die Schafe auf den Hängen, und aus dem Gras stieg das Wispern und Summen kleiner Insekten. Nachtvögel riefen einander Botschaften zu.
Es hatte endlich aufgehört zu regnen, und die Natur schien wie aus tiefem Schlaf erwacht.
Der Mond wurde nur hin und wieder von vorbeiziehenden Wolken gestreift und goss blassblaues Licht über das Tal und die Hügel. Selbst Mount Paripari mit seiner schneebedeckten Spitze war in der Ferne zu erkennen.
Noch immer schweigend ging Johanna neben Father Blake her zu dem kleinen Garten, den sie seit Wochen vernachlässigt hatte. Bei einem jungen Apfelbaum blieben sie stehen und sahen zurück. Warmes Kerzenlicht schien durch das Fenster im Dachgeschoss. Es stand offen, doch sie waren weit genug entfernt. Thomas würde ihr Gespräch nicht hören können, selbst wenn er angestrengt lauschte.
» Ich habe mein Kind verloren « , brachen die Worte aus Johanna heraus. Tränen brannten in ihrer Kehle, und sie musste würgen, doch ihre Augen blieben trocken.
Father Blake drückte mitfühlend ihre Hand.
» Das passiert vielen Frauen. Manche Seelen ruft Gott heim, bevor sie die Kälte unserer Welt kennenlernen müssen. Es ist ein trauriger Trost, aber das Kind ist jetzt bei ihm. «
Die nagende Trauer verstärkte ihren Griff, und mit erstickter Stimme brachte Johanna das Bekenntnis hervor:
» Ich bin schuld. « Die Worte huschten wie Verräter über ihre Lippen.
Father Blakes tröstende Hand war mit einem Mal fort. Er trat zurück und musterte sie.
» Was bedeutet das? «
» Ich… ich… «
» Haben Sie sich versündigt? Haben Sie das Kind mit Absicht verloren? Dafür gibt es keine Entschuldigung. Der Teufel hole die verdammte Hexe, die Ihnen das Kraut gegeben hat! «
Johanna blinzelte die Tränen weg. Nur langsam begriff sie, was der Priester vermutete. Sie schluchzte trocken auf, und dann begann sie plötzlich zu reden. Hastig, wie ein Sturzbach, erzählte sie ihm die ganze Geschichte.
Von dem Streit mit Thomas, den Leibschmerzen, dem Kampf wegen des Baumes, und dass sie bei einem Unwetter durch den Urwald geirrt war. Als sie endete, hielt der Priester wieder tröstend ihre Hände. Sein Gesicht strahlte Milde aus.
» Wenn sich jemand gegen Gott versündigt hat, dann war es Thomas Waters, mein Kind. Sie tragen keine Schuld. «
» Aber ich hätte nicht
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