Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
dorthin gehen dürfen, ich hätte… «
» Sie haben versucht zu verhindern, dass Menschen getötet werden. Das war mutig. Die Leibschmerzen hatten Sie doch schon vor Ihrem Aufbruch. «
Johanna nickte. Sie wusste, dass der Missionar versuchte, ihr die Schuldgefühle zu nehmen, dennoch taten ihr seine tröstenden Worte gut. Womöglich wollte Gott sie tatsächlich nicht dafür bestrafen, dass sie den Götzenbaum der Wilden hatte schützen wollen. Vielleicht war der kleine Junge nicht dazu bestimmt gewesen, auf die Welt zu kommen.
Oder Thomas hatte das Unheil heraufbeschworen, als er billigend den Tod der Maori in Kauf nahm, um ein Exempel zu statuieren.
» Sie werden wieder schwanger werden, Mrs Waters, Sie sind noch so jung. «
Die Worte des Priesters vermochten Johanna nur bedingt aufzurichten. Bei dem Gedanken, mit Thomas das Bett zu teilen, lief ihr ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Langsam nickte sie.
» Richten kann Ihren Mann nur Gott, denn in diesem Land zählt das Leben eines Maori wenig. Versuchen Sie ihm dennoch, eine gute Ehefrau zu sein, denn das haben Sie geschworen, als Sie den heiligen Bund eingingen. «
Johanna nickte wieder.
» Es fällt mir nur so unsagbar schwer. «
» Mit Gottes Hilfe wird es Ihnen gelingen. Sie sind eine starke Frau. «
» Ja. « Sie würde sich Thomas wieder zuwenden, jedenfalls was das Körperliche betraf, aber ihr Herz war nicht so stark, wie der Missionar glaubte. Liam wohnte dort wie in einer uneinnehmbaren Festung. Er ließ sich nicht von dort vertreiben, auch wenn sie es all die Monate versucht hatte.
Der Gedanke, irgendwann einmal mit Liam im Herzen zu sterben, war auf eine morbide Art tröstend.
» Wie lange dauert es in Neuseeland, bis ein Brief sein Ziel erreicht? « , erkundigte sie sich beiläufig, doch ihr Puls raste. Verräterische Hitze kroch in ihre Wangen, und Johanna war froh, dass die Dunkelheit ihren schützenden Deckmantel darüber breitete.
» Einige Wochen, einen Monat, manchmal geht es aber auch recht schnell. «
» Gut. Dann werde ich Ihnen auch Post für einen Bekannten mitgeben, dessen Familie es schon vor einer Weile hierher verschlagen hat. «
September 1846
Nördlich von New Plymouth
D er Auftrag saß Liam in den Knochen. Diesmal hatten sie nicht in irgendeinem Dschungel gegen kriegerische Maori kämpfen müssen, ganz im Gegenteil. Es war gegen die eigenen Landsleute gegangen.
Arme, britische Siedler, die nun wieder obdachlos waren. Liam trieb Cassio an und trabte an den marschierenden Soldaten vorbei. Ihre mürrischen Gesichter trugen unverhohlen zur Schau, was sie über den Einsatz dachten. Die Maori hätte man vertreiben sollen, nicht die Bauern.
Liam hütete sich, seine Meinung allzu offen kundzutun. Im Gegensatz zu den meisten unterstützte er die Versuche Gouverneur Greys, die Konflikte friedlich beizulegen und nicht weiteren Eingeborenenstämmen einen Grund zu liefern, gegen die Besatzer zu kämpfen.
Die Maori bildeten keine Einheit, und das war bislang das Glück der Einwanderer. Beinahe ohne Unterlass wurden kleinere Scharmützel und Fehden zwischen Familienclans und Dorfgemeinschaften, den sogenannten Iwis, ausgetragen . Sie schienen den Kampf regelrecht zu suchen, damit sich die jungen Krieger in blutigen Gefechten bewähren konnten. Wenn sich die Stämme zusammentäten und eine gemeinsame Offensive starten würden, hätte die englische Krone ein ernsthaftes Problem, doch davon waren die Maori noch weit entfernt.
Die Siedler, die den Soldaten nun mit ihren wenigen Habseligkeiten, Ochsenwagen und Vieh folgten, waren zwei Monate zuvor auf das Land der Eingeborenen vorgedrungen und hatten einfach zu bauen begonnen. Die nomadisch lebenden Maori bemerkten die Eindringlinge erst, als diese bereits Wald gerodet, Flachsfelder zerstört und erste Hütten errichtet hatten.
Eingeschüchtert durch die blutigen Konflikte, die sich andere Stämme mit Truppen und Farmern lieferten, entschieden sich die Ältesten dieses Stammes für den diplomatischen Weg. Liam würde nie den Moment vergessen, als der alte Häuptling und seine Berater die Garnison betraten. Es waren stolze Männer, ihr Gebaren königlich. Der Anführer trug einen Umhang aus bunten Vogelfedern kunstvoll über seinen vollständig tätowierten Oberkörper geschlungen. Liam schätzte, dass er über sechzig war. Seine Haut war faltig, was den verschlungenen Zeichen auf seiner Brust etwas besonders Geheimnisvolles gab.
An seiner Seite trug er ein Mere aus Jade, wie
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