Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
von nun an bis zu ihrem letzten Tag auf Erden begleiten würde.
Leise Schritte näherten sich. Sie spürte seine Nähe, als sich Tamati auch schon hinter sie kniete. Ihre Blicke begegneten sich im Spiegel. Sein Atem streifte warm ihren Nacken. Er beugte sich vor, um ihren Hals zu küssen, und zog sie in seine Arme.
Abigail legte den Spiegel hin und ließ sich seufzend gegen seine Brust sinken.
» Bist du noch glücklich mit deinem Mok o ? « , erkundigte sich Tamati mit tiefer Stimme. » Du musst, denn du wirst es nicht mehr los, ebenso wenig wie mich. «
Abigail lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück. Sie wollte ihn küssen, seine fordernden Lippen auf ihren spüren, ganz gleich, ob ihre Haut schmerzte oder nicht.
» Ich liebe dich « , hauchte sie.
Tamatis Mund streifte ihre Wange, dann schob er sie liebevoll von sich.
» Nicht doch, nicht, Abigail. Meine Tante hat mir das Versprechen abgenommen, dass ich vor dem Ablauf von vierzig Tagen nicht das Bett mit dir teile. «
Abigail wusste, dass es noch zu früh war nach der Geburt, doch sie wollte ihn glücklich machen.
Tamati griff mit einem Mal hinter sich. Sie hörte Papier rascheln. » Ich habe etwas anderes für dich. Father Blake hat mir etwas von seinem kostbaren Papier gegeben, damit du deiner Freundin Johanna einen Brief schreiben kannst.«
» Was? Ich soll einen Brief schreiben? «
Sie sah ihn überrascht an. » Sie wird sich über mich lustig machen, so krumm und schief, wie meine Worte aussehen. «
» Unsinn « , sagte Tamati nur und küsste sie lächelnd auf die Nase.
Sein Blick sagte alles. Er glaubte an sie. Aufgeregt nahm Abigail den weißen Bogen und dachte unweigerlich an den peinlichen Moment vor vier Monaten.
Damals hatte Tamati sie gebeten, eine Liste der Dinge zu verfassen, die in ihrem Haushalt noch fehlten und die er bei einem Händler kaufen sollte. Nach langem Zögern hatte sie ihm schließlich gestanden, dass sie nie schreiben gelernt hatte. Tamati war überrascht, dachte er doch, alle Pakeha wären der Schrift mächtig.
Er selbst hatte es als Kind bei Father Blake erlernt. » Du könntest ihn fragen, er zeigt es dir sicherlich « , schlug Tamati vor, doch Abigail genierte sich. Wenn einer in der Familie Buchstaben malen konnte, reichte das wohl, meinte sie.
Tamati ließ sich nicht so schnell von seinem Vorhaben abbringen. Dann werde er es ihr eben beibringen, meinte er gut gelaunt, und dann saßen sie fast jeden Abend bei Kerzenschein mit einer Schale Sand da, und sie lernte erst mit den Fingern, dann mit einem Stöckchen, die Buchstaben zu ziehen. Als sie zum ersten Mal auf Rindenpapier schreiben sollte und Tamati ihr dafür etwas Tinte herstellte, hätte sie beinahe den Mut verloren. Seine Schrift war viel schöner, sogar schöner als die von Father Blake, denn Tamati schrieb nicht nur, sondern hatte sich zur Gewohnheit gemacht, seine Tätowierungen zu malen. Da sie für jeden Krieger eigens entworfen wurden, zeichnete er sie vor.
Die letzten Wochen von Abigails Schwangerschaft hatten schließlich den Durchbruch gebracht. Das Kind war so schwer, dass sie Mühe hatte, zu laufen. Ans Haus gefesselt, lernte sie endlich schreiben.
Tamati holte eine Lampe, richtete den Docht und strich Abigail ermutigend über die Wange.
Na gut, dann würde sie es eben versuchen, doch zuvor musste sie das kleine Wunder noch einmal sehen. Der kleine Dion schlief in seinem Bettchen auf einem wärmenden Lammfell. Das runde Gesichtchen weckte in Abigail eine Liebe, die sie in dieser Stärke zuvor für unmöglich gehalten hatte. Dion war nun das Zentrum ihrer Welt. Ein heiliges kleines Wesen, das es zu beschützen galt. Für einen Moment sah Tamati ihr über die Schulter, dann drückte er ihr einen Kuss in den Nacken und schlich auf leisen Sohlen hinaus.
Ganz sacht strich sie über die runden Wangen und den zarten dunklen Flaum auf dem Köpfchen. Er bekam schwarzes Haar, wie sein Vater, was, wie sie fand, gut zu seinem hellen Hautton passen würde.
Mit einem leisen Seufzen kehrte Abigail zurück zu Stift und Papier. Was sollte sie Johanna schreiben? In den vergangenen Monaten war sehr viel geschehen, für Abigail hatte sich die Welt verändert, aber für Außenstehende sah es sicher so aus, als sei so gut wie nichts geschehen. Sie hatte Glück mit ihrer neuen Familie, die ihr mit Freundlichkeit und Geduld beibrachte, was sie wissen musste, wenn sie unter den Maori lebte. Das Kind und Tamati waren ihr größtes Glück, doch auch die
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