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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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kunstvolle Flechtarbeit mit Flachs sagte ihr zu. Abigail brachte es noch lange nicht zu großer Meisterschaft, doch unter der Anleitung ihrer Schwiegermutter wurde sie jeden Tag besser und lernte, mit Mustern uralte Geschichten zu erzählen.
    Auf jeden Fall musste sie Johanna von den Schafen berichten. Die drei tragenden Mutterschafe, die sie ihr zur Hochzeit geschenkt hatte, gediehen wunderbar und hatten fünf gesunde Lämmer bekommen. Und was noch? Was sollte sie noch schreiben?
    Das weiße Blatt schien sie anzustarren. Abigail schluckte, dann griff sie energisch nach der angespitzten Pelikanfeder und tunkte sich in die Tinte, die ihr Tamati in einer Muschelschale hingestellt hatte.
    Liebe Mrs Johanna Waters, schrieb sie, und dann flossen die Worte nur so aufs Papier.

September 1847
    Im Tal des Windes
    S eit Tagen war kein Tropfen Regen mehr gefallen, und auch Mount Paripari hüllte sich nicht mehr in seinen grauen Nebelschleier. Es war Johannas zweiter Sommer in Neuseeland, und so langsam fühlte sie sich zu Hause. Die Stimmen der Vögel waren ihr vertraut geworden, der Geruch der Pflanzen nach einer regenreichen Nacht wie Balsam für ihre Seele.
    Johanna stand am Fenster und sah hinaus auf Lake Tarapunga, in dem sich die Berge spiegelten. Eine Viehweide reihte sich an die nächste, und es war eine Freude, den vielen Fohlen, die dieses Jahr geboren worden waren, bei ihren übermütigen Spielen zuzusehen.
    Bald stand die nächste Reise an, auf der sie weitere Schnitzereien einkaufen wollte. Diesmal besuchte sie die Dörfer in der Nähe der Berge. Über ein halbes Jahr war vergangen, seitdem die erste Lieferung mit Schnitzereien nach London verfrachtet worden war. Und was hatte sich seither nicht alles verändert! Sie war nun Geschäftsfrau. Die Summe, die ihr Vater für die Stücke bekommen hatte, hatte sie beide überrascht. Für Thomas war es ein Schock. Obgleich sie in seiner Achtung stieg, merkte sie, wie auch er sich ein wenig von ihr entfernte. Er verlor einen Teil seiner Macht über sie. Johanna war nun finanziell von ihm unabhängig, und sie genoss ihre Freiheit. Der Grund, weshalb ihre Eltern sie zu dieser Ehe gezwungen hatten, war hinfällig geworden, und wenn sie ihre Arbeit gut machte und ausweitete, konnte sie sogar ihrem Vater helfen, die Schmach der Abhängigkeit von den Waters abzuschütteln.
    Johanna besaß nun ein Konto bei einer kleinen Bank in Petre. Es war zwar offiziell auf ihren Vater angemeldet, aber sie besaß eine Verfügung. Mit einem Teil des Geldes und dem Verkauf der üppigen Wollernte hatte sie beim Flusshändler Terry neue Tauschwaren erworben, die sie nun erneut gegen kostbare Kunstwerke eintauschen konnte.
    Johanna hatte sich mit Hariata und Father Blake beraten und beschlossen, ihren Handel auszuweiten. Die Maori-Kultur hatte so viel mehr Schätze zu bieten als die Schnitzerei, und sie wollte die Menschen von Urupuia gerne an ihrem Geschäft beteiligen. Tamati hatte für sie Kontakt zu einem Cousin aufgenommen, der traditionelle Waffen herstellte. Er hatte ein halbes Dutzend verschiedener Prügel, sogenannter Patu, im Angebot, die für besondere Kampftechniken hergestellt wurden. Johanna gelang es erst allmählich, die zahlreichen Typen auseinanderzuhalten, und sie schrieb gewissenhaft alles auf. Da war das hakenförmige Wahaika und das ovale Mere, die beide mit einer Schlaufe aus Hundesehnen am Arm getragen wurden. Mit dem Kokiate, dessen Form an eine Fidel erinnerte, konnte der Krieger die gegnerische Waffe abfangen. Eine elegante Waffe namens Hoeroa beeindruckte Johanna am meisten. Sie wurde aus dem Unterkieferknochen eines Pottwals hergestellt und so lange geschliffen, bis sie flach und scharf war. Tamatis Cousin fertigte nach ihren Wünschen eines dieser außergewöhnlichen Stücke extra für Anthony Chester an.
    Für den Transport wurden die Gegenstände in Flachsumhänge und Teppiche eingewickelt, die drei Frauen aus Urupuia für sie fertigten und die ihr Vater ebenfalls verkaufen konnte. Hariata stellte außergewöhnliches Flechtwerk her, und dank ihrer Hilfe fanden sich weitere fähige Frauen, die Johanna belieferten.
    Thomas betrachtete das wachsende Geschäft seiner Frau mit Argwohn. Sein Sägewerk warf nur wenig Gewinn ab, und die beständigen Unruhen, sei es zwischen Maori und Weißen oder den Ureinwohnern untereinander, beeinträchtigten seine Geschäfte. Thomas fand nicht genügend Abnehmer. Johannas Handel blieb davon unberührt. Für sie war es ein heimlicher

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