Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
kurz bevor?
Mit wachsender Unruhe wendete sie ihre Stute und ritt zurück.
Als sie den Uferpfad erreichte, wuchs das beklemmende Gefühl beinahe zur Gewissheit. Etwas war geschehen. Das Seeufer war verwaist. Die Männer, die zuvor dort gearbeitet hatten, waren nirgends zu sehen.
Im Netz zuckten silberne Leiber. Die kleinen glänzenden Fische krümmten sich und versanken sterbend im Uferschlamm. Die Fischer waren fort und hatten ihre Beute für die Möwen zurückgelassen.
Das war unheimlich.
Johanna trieb Star an. Noch immer erschöpft von dem scharfen Ritt, fiel sie in einen schleppenden Trab. Doch bald übertrug sich Johannas Nervosität auf das Tier, und sie hatte Mühe, es zu zügeln. Die Stute wollte nur noch in den Stall zurück.
Vor dem Anwesen, das weiß in der Mittagssonne leuchtete, hatten sich eine Gruppe Männer und auch einige Frauen versammelt. Die Siedler drängten sich vor dem schweren Tor des Waters-Besitzes und versperrten Johanna wild durcheinanderrufend den Weg. Von der anderen Seite des Tores beobachteten die Maori-Bediensteten das Geschehen. Thomas war nirgends zu sehen, auch von Arthur fehlte jede Spur. Johanna sah die Gewehre sofort.
» Was ist hier los? Wo ist mein Mann? «
Ein bärtiger Kerl umfasste ihre Zügel und riss grob daran, bis Star erschrocken stehen blieb. » Mr Waters sucht nach Ihnen! Während diese verdammten Maori unsere Farmen niederbrennen! «
Johanna verkniff sich, was ihr auf der Zunge lag. Sie waren selber schuld, wenn sie mordeten und plünderten.
» Lassen Sie mein Pferd los! «
Der Mann schien nicht recht zu verstehen. Johanna wusste nur eines. Sie wollte weg von diesen Leuten.
Sie nahm ihren Mut zusammen und begegnete dem helläugigen Blick des Mannes. » Zügel loslassen, sofort. «
Star brauchte keine Ermunterung. Sobald der Mann seinen Griff löste, schoss die kleine Stute an den Männern vorbei durch das Tor.
Die Bediensteten schienen nur darauf gewartet zu haben. Hariata rief einen Befehl in Maori, Heeni und Ben drückten die Holzflügel zu.
Nun waren sie sicher wie in einer kleinen Festung.
Johanna rutschte aus dem Sattel und fiel ihrer Freundin in die Arme.
» Was ist denn nur passiert, Hariata? Im Norden hat es nach Feuer ausgesehen. «
Während sie Hariata ins Haus folgte, gab ihr diese einen kurzen Bericht über das, was in den letzten Tagen und Wochen vorgefallen war, ohne dass Johanna etwas geahnt hatte.
Thomas’ Männer waren immer weiter auf Maori-Land vorgedrungen, plünderten erst deren Felder und zerstörten sie dann.
Von Father Blake zur Ruhe ermahnt, hatten die Einwohner Urupuias ihre Waffen nicht erhoben, sondern Abgesandte zu Thomas geschickt. Die Boten waren nie zurückgekehrt.
» Hier ist niemand aus dem Dorf angekommen, Hariata. «
Sie nickte. » Das habe ich mir gedacht. Sie sind ermordet worden. Im Norden haben sich die Te Ati Awa, der Stamm, zu dem auch die Leute von Urupuia gehören, gegen den ungerechten Landraub durch die Siedler und die New Zealand Company erhoben. Sie wollen sich nicht länger gefallen lassen, dass die Pakeha sich nicht an die alten Verträge halten. Sicher werden sich auch Krieger aus Urupuia anschließen. Es wird Krieg geben, Mrs Waters. «
» Und sie kommen hierher? «
» Ja, und nachdem unsere Boten offensichtlich ermordet worden sind, wird auch Father Blake unsere Männer nicht mehr davon abhalten können, sich den Aufständischen anzuschließen. Wir haben genug! Wir werden sehen, ob die Götter den Pakeha wirklich mehr Manna gegeben haben, oder ob wir nur zu lange stillgehalten haben. «
Johanna sah in das zornige Gesicht ihrer Freundin. Sie konnte sie verstehen, sehr gut sogar.
» Was soll ich denn jetzt machen, Hariata? «
» Ich weiß es nicht. Von unseren Leuten wird Ihnen keiner ein Leid antun, aber die Krieger aus dem Norden kennen Sie nicht. Sie tragen so viel Wut im Herzen, es ist ihnen gleich, wen sie töten, solange es Pakeha sind. Sie wollen Blut fließen sehen. Utu, Rache für ihre Verwandten. «
» Wir müssen sie aufhalten. Thomas muss endlich mit ihnen reden. Wir geben das Land zurück, wir… «
» Mrs Waters, Sie wissen, dass Ihr Mann nicht mit ihnen reden wird, das wird er nie tun. Er ist ein egoistischer, hinterhältiger Mensch. Es ist zu spät. Am besten wir gehen fort, verstecken uns und warten, bis es vorbei ist. «
» Ich kann hier nicht weg, das ist doch mein Zuhause. Und Thomas, er… «
Johanna sah Hariata an, wie sie mit sich rang. » Dann bleibe ich auch.
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