Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Arbeitszimmer und schlug die Tür zu.
Ungläubig starrte sie ihn an.
» Thomas, was ist in dich gefahren? Ich hatte noch nie Probleme mit den Einheimischen. Die Menschen in Urupuia arbeiten für mich. Es schert mich nicht, was deine Männer sagen. Mir werden sie nichts tun. «
Er ging vor der Tür auf und ab, sodass ihr jegliche Fluchtmöglichkeit versperrt war. Johanna verschränkte die Arme. Sie trug bereits ihr Reisekleid, ohne das einengende Fischbeinkorsett. Ihr Herz hämmerte wütend gegen ihre Brust, und wahrscheinlich wäre sie in ihrer feinen Garderobe längst ohnmächtig geworden.
Thomas war so außer sich, dass es zwecklos war, mit ihm zu diskutieren. Diesmal würde er sich nicht erweichen lassen. Sein Gesicht war gerötet und von Sorgenfalten zerfurcht. Die angespannten Kiefermuskeln verstärkten seinen harten Blick.
Tränen der Enttäuschung krochen Johanna die Kehle hinauf und machten ihr das Atmen schwer. Sie bebte. » Dann sag mir wenigstens, warum! Was ist los? Früher haben dich die Gerüchte über Kämpfe auch nie gekümmert! «
Thomas ließ die Schultern sinken, als würden sie von einer Last niedergedrückt. Langsam kam er auf sie zu und legte seine Hände auf ihre Hüften. Sein Blick wurde weich.
» Glaub mir, Johanna, ich will dich nicht im Haus einsperren, ich weiß, wie sehr du dich darauf gefreut hast, aber es geht nicht. «
» Warum? «
Er schüttelte den Kopf, wich ihrem Blick aus.
» Warum, Thomas? «
» Meine Pächter sind raue Männer. Es schert sie nicht, was die Wilden wollen. «
» Genauso wenig wie dich, oder? «
Sein Griff um ihre Hüften wurde fester, als könnte er ihr auf diese Art seinen Willen aufzwingen.
» In letzter Zeit gab es einige Vorfälle, die die Nachbarschaft mit den Maori belasten. Und nun gibt es Gerüchte von umherziehenden Kriegern dieses Te Maamku. Johanna, diesmal werden wir von den Unruhen nicht verschont. «
Sie nickte langsam. Von dem Häuptling hatte sie gehört. Er versuchte, Stämme zu vereinen, um gemeinsam gegen die Engländer zu kämpfen, die in seinen Augen nichts anderes als Besatzer waren. Diesen Mann kümmerte es nicht, dass andere Häuptlinge den Vertrag von Waitangi unterzeichnet und Neuseeland damit unter britisches Protektorat gestellt hatten. Doch es war nicht Te Maamku, der den Krieg an die Ufer des Tarapunga brachte, sondern Thomas mit seiner schier endlosen Gier. Es waren Gerüchte im Umlauf, dass seine Schergen Gehöfte zerstörten, doch bislang hatte Johanna es nicht für möglich gehalten, dass er wirklich so weit gehen würde. Plötzlich wurde ihr klar, dass es wohl nur ihre Hoffnung gewesen war, Thomas sei nicht so tief in das Tal der Sünde hinabgestiegen.
» Haben deine Leute Maori aus dem Dorf angegriffen? «
» Ich weiß es nicht. Diese Wilden sehen doch alle gleich aus. «
» Du warst dabei? «
» Das habe ich nicht gesagt, Joha… «
Sie riss sich von ihm los, stieß ihn zur Seite und stürmte aus dem Zimmer. Thomas gelang es nicht, sie aufzuhalten. Er rief ihr hinterher, doch sie wollte nicht hören.
Johanna bekam die Bilder nicht aus dem Kopf. Es war wie damals im Wald. Er hat wieder gemordet, er hat es wieder getan!
Wofür diesmal? Ein anderer Baum, ein Stückchen Feld oder aus Prinzip, nur um seinen Willen durchzusetzen?
Er hatte es wieder getan, und damit war es Johanna auch bis in die letzte Faser klar geworden: Sie war mit einem Mörder verheiratet, der nicht nur sein eigenes Seelenheil, sondern auch ihre gemeinsame Zukunft vernichtete.
Sie rannte die Stufen hinunter, hetzte an Heeni vorbei und hätte ihr beinahe den Korb mit Wäsche aus der Hand gestoßen. Sie murmelte eine Entschuldigung und stieß die Tür auf.
Im Hof stand bereits ihre gesattelte Stute Star und blickte ihr mit erwartungsvoll gespitzten Ohren entgegen. Ben bereitete gerade ihr Packpferd vor, als sie auf ihn zu rannte.
» Mrs Waters, ich bin noch nicht fertig. «
» Ich brauche die Packpferde nicht « , stieß sie mit tränenerstickter Stimme hervor. Ihre Hände zitterten, während sie hastig den Strick löste, mit dem Star angebunden war, und in den Sattel sprang.
» Aber Ma’am, wo wollen Sie denn jetzt hin? «
» Weg! « Johanna presste der Stute die Fersen in die Flanken, und das Tier schoss los.
Thomas erschien in diesem Moment im Hof.
» Johanna, warte! «
Im halsbrecherischen Galopp ritt sie durch das Tor. Thomas rief ihr etwas hinterher, doch ihm war sicherlich klar, dass sie ihre Reise nicht mehr antrat, nicht
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