Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
sicherlich sofort bereit, ihm zurück in die Heimat zu folgen, doch sie, das war Liam schon im ersten Moment seines Wiedersehens mit Johanna klar geworden, würde es niemals sein. Lieber bliebe er allein, als Marina in eine Ehe zu zwingen, in der nur einer den anderen aufrichtig liebte.
Es war unehrlich. Die junge Frau hatte etwas Besseres verdient.
Liam scheute sich vor dem Moment der Wahrheit, aber er musste die Verlobung so bald wie möglich lösen.
» Da vorn! «
Der Ruf riss ihn aus den Grübeleien.
Zwischen einigen Büschen schimmerte etwas Weißes. Liams Pferd scheute. Er drängte den Wallach vorwärts, der nur widerstrebend gehorchte, laut eine Warnung schnaubend. Blutgeruch weckte seinen Fluchtinstinkt.
In einem Dickicht junger Schnurbäume lag ein frischer Schafskadaver. Das Tier war erschlagen worden. Frisches Rot sprenkelte die Blätter und glänzte auf der Stirn zwischen den gewundenen Hörnern.
Liam zog sein Gewehr von der Schulter, legte es quer über den Sattel und überprüfte, ob sein Säbel locker in der Scheide saß.
Er tauschte einen Blick mit den anderen, niemand sprach. In erhöhter Alarmbereitschaft ritten sie weiter. Der aufkommende Wind drückte Äste und Sträucher nieder und erschwerte es den Soldaten, Feinde auszumachen, die möglicherweise dort lauerten. Ein frostiger Keil bohrte sich in Liams Rücken, ein kalter Schauder, der ihn warnte, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte.
Vor ihnen tat sich eine Lichtung auf. Kleine Felder schmiegten sich an die Hänge. Der Anblick eines Flechtkorbs voller Süßkartoffeln, der halb gefüllt neben einer Hacke lag, ließ Liam schlucken. Hier war etwas Schreckliches geschehen. Seine Ahnung trog ihn selten.
Wieder gaben die Pferde den ersten Hinweis. Das vorderste blieb stehen, hob den Kopf und witterte.
Liam trieb Cassio voran, und dann schwand jeder Zweifel. Ein Toter lag auf dem Weg, der Körper zu klein für einen Erwachsenen.
Vor einem traditionellen Maori-Haus lagen die schaurigen Überreste eines Massakers.
Tamati stieß einen grimmigen Klagelaut aus, sprang aus dem Sattel und rannte zur Hütte.
» Sichert das Gelände, wir sehen nach! « , befahl Liam rasch und folgte dem Mann.
Alle vier ehemaligen Bewohner des Hofes waren tot, erschossen. Tamati nahm Abschied von jedem Einzelnen.
» Mein Cousin « , erklärte er Liam mit brennendem Blick. Dieser ließ den Mann mit seinem Schmerz allein und durchsuchte das Gebäude. Die Einrichtung war zerschlagen, die Tiere tot. Er fand zwei Hunde mit durchgeschnittener Kehle, im Schweinekoben war es ebenfalls still. Ein alter Esel lag hinter dem Haus, den Kopf in scheinbarem Frieden zwischen die Vorderbeine gebettet.
Verbrannte Erde, das war es, was die Angreifer bezweckt hatten. Jegliches Leben auf dem Hof war vernichtet. Liam wusste, wie sehr die Maori sich vor unruhigen Seelen und bösen Geistern fürchteten. Dieser Hof musste in ihren Augen auf immer verflucht sein. Hier siedelte so schnell niemand mehr.
Rasch war klar, wer hier gemordet hatte. Es waren die weißen Siedler gewesen, die mit den Maori um diesen Landstrich konkurrierten. Männer, die auf Waters’ Geheiß hier waren und scheinbar noch immer Unruhe stifteten.
Als Liam zu Tamati zurückkehrte, kniete dieser neben einer Frauenleiche und sprach zu ihr auf Maori.
Liam ließ einen Moment verstreichen, bevor er ihm die Hand auf die Schulter legte.
» Die sind noch nicht lange fort, kommen Sie. Wir werden die Mörder zur Rechenschaft ziehen. «
» Ich kann nicht. Die Toten müssen nach unserer Sitte bestattet werden. Ihre Seelen sind noch immer im tupapaku, im Körper. «
Liam zweifelte, noch während er Tamati Maunga ansprach, an seinem Vorschlag.
» Begraben wir sie hier und brechen dann auf. «
Tamati erhob sich schnell.
» Nein! Sie verstehen das nicht. Ich kann meine Verwandten nicht allein lassen. Wir bringen sie nach Urupuia, erst nach der Zeremonie ist die Zeit für Rache. «
Die Soldaten brachen zur Suche nach den Mördern auf.
Liam ritt nicht mit ihnen, sondern begleitete Tamati zurück nach Urupuia. Der Maori führte sein Pferd am Zügel. Es zog einen Eselskarren, auf dem die ermordete Familie lag. Liam ritt immer wieder ein Stück voraus, hielt aufmerksam Ausschau und drehte dann um.
» Ich werde ihn töten « , knurrte Tamati, als er eine Weile schweigend neben ihm hergeritten war. Liam horchte auf. Es klang, als wisse der Maori genau, wer für das Blutvergießen verantwortlich war.
» Wen? Wer hat es
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