Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
abziehen, herrscht wieder Frieden. Viele der Siedler, die Ihr Mann hergebracht hat, sind bereits fortgezogen. Sie hat es am schwersten getroffen, Johanna. Die Fabrik ist vollständig niedergebrannt, der halbe Hof… «
Johanna schauderte bei der Erinnerung an ihre Flucht. All die toten Menschen, die verbrannten Tiere. In Urupuia war es leicht gewesen, die Bilder zu verdrängen. Sie setzte sich mit Father Blake auf die Stufen des Gebäudes.
» Wollen Sie in A waawa te Hauwhenua bleiben, Johanna? «
Sie sah ihn irritiert an. Der Gedanke war ihr noch gar nicht gekommen.
» Natürlich bleibe ich. «
» Dann sollten Sie mit den Ältesten reden und die Verträge neu verhandeln. Sie sagen, sie sprechen nur mit Ihnen, mit der Pakeha Maori. Ihnen vertrauen sie. «
» Ich habe doch nichts, es ist doch alles verbrannt. Hariata sagt, das Haus sei geplündert worden. «
» Ja, und seien Sie froh, dass es so ist. Sonst würden die Kämpfer auf Blutrache sinnen. Sie haben reiche Beute gemacht und sind zufrieden. «
» Auch wenn so viele Maori gestorben sind? «
» Ja. Sie verstehen es so, dass Sie ihnen das Haus freiwillig überlassen haben, quasi als Sühne für die Toten. Die Männer haben Sie davonreiten sehen, bevor der Hof ganz erobert war. So etwas ist Kriegsbrauch unter den Stämmen. «
Johanna zog die Knie an und barg das Gesicht in den Händen.
» O Gott « , stöhnte sie. » Woher soll ich das Geld nehmen? «
Father Blake legte ihr freundlich eine Hand auf den Rücken.
» Diese Sorge haben Sie nicht. Es ist Post aus England gekommen. Von Ihrem Vater. Sicher ist wieder Geld angewiesen worden, und so gut wie der Handel mit den Schnitzereien im letzten Jahr gelaufen ist… «
Er griff in seine Jackentasche und zog einen zerknitterten Umschlag hervor. Johanna wurde es sofort leichter ums Herz, als sie die Handschrift erkannte. Das Schriftstück wie einen Schatz an ihre Brust gepresst, fasste sie einen Entschluss.
» Sprechen wir mit dem Ältestenrat! «
Liam hatte sich der Patrouille angeschlossen. Er wollte nicht länger in Urupuia bleiben, wo er sich dabei ertappte, jede Gelegenheit zu ergreifen, in Johannas Nähe zu sein. Und sei es nur, um sie aus der Ferne zu beobachten.
Die Situation machte ihn krank. Tag um Tag hockte sie amBett eines Mörders und pflegte ihn. Dabei hoffte sogar Johanna nicht auf Waters’ Genesung. Es war zum Verrücktwerden!
Je häufiger Liam sich mit ihr traf, umso mehr bekam sie ein schlechtes Gewissen, und sie verbrachte den Rest ihrer Zeit am Krankenbett oder in der kleinen Kirche auf dem Hügel.
Mit einem Schnalzen trieb Liam Cassio an und schloss zu den anderen auf. Ihr Führer war ein Maori mit vollständig tätowiertem Gesicht. Der Mann namens Tamati Maunga war angesehen im Ort, der beste tohunga ta moko weit und breit. Fast jeder Krieger im Dorf trug Tätowierungen von ihm, seinem Vater oder dem Großvater.
Tamati hatte eine Weiße geheiratet und schien auch zu Johanna freundschaftliche Beziehungen zu pflegen. Liam hätte ihn gerne über die vergangenen Jahre ausgefragt, aber er wusste nicht, wie er das Gespräch beginnen sollte.
Vorerst begnügte er sich damit, neben ihm zu reiten. Tamati saß auf einem der Kaltblüter, die aus England stammten, und musterte die umliegenden Hügel aufmerksam.
Es gab Gerüchte, dass sich Maori immer wieder mit einer Gruppe Weißer Gefechte lieferten, doch bislang war alles ruhig.
Schwere Wolken zogen über den fahlblauen Himmel und trogen das Auge mit schnell ziehenden Schatten. In der Ferne fielen vereinzelt Regengüsse über grünen Hügeln und erinnerten Liam schmerzlich an die Highlands.
Bei Wind und Wetter war er mit Duncan hinausgeritten, um, begleitet von einer Schar schlanker Hunde, Hirsche zu jagen. Wie herrlich war es gewesen, den stolzen Tieren in vollem Galopp nachzusetzen. Ahnungslos, wohin die wilde Jagd sie führte. Oft hatten sie die herrschaftlichen Tiere am Ende ziehen lassen und waren fröhlich und mit leichtem Herzen nach Edgemoor Heights zurückgekehrt. Zwei junge, unbeschwerte Brüder, kaum dem Kindesalter entwachsen, ahnungslos, welch ein Leben sie als Männer erwartete.
Edgemoor Heights gehörte nun ihm, doch er konnte nicht nach Hause, noch nicht. Für einen Moment erlag Liam der Vorstellung, Johanna als seine Frau dorthin mitzunehmen.
Das Anwesen mit seinen ehrwürdig ergrauten Sandsteinmauern und dem verfallenen Turm würde bei ihrer Anwesenheit erblühen. Doch das würde nie geschehen.
Marina wäre
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