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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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Händen umklammerte.
    Ein zweiter Schuss fiel, bohrte sich in den Mann, und er brach endgültig zusammen. Liam hatte plötzlich keine Deckung mehr, und die Zeit schien einzufrieren.
    Einen Augenblick lang starrte er in das ungläubige Gesicht von Arthur Remington, der die doppelläufige Flinte schon geöffnet hatte, um neue Patronen einzulegen.
    Liam ließ seine Chance nicht verstreichen. Für ihn war die Begegnung alles andere als überraschend. Er riss die Jadewaffe aus seinem Gürtel und warf sie. Unter Anleitung seines Maori-Scouts hatte er es mit dem Mere zu wahrer Meisterschaft gebracht.
    Arthur flog das Gewehr aus der Hand. Die Patronen rollten über den Boden, und er riss die Hand hoch. Das Mere hatte seine Finger zertrümmert. Arthur schrie, rang keuchend nach Atem und stierte Liam an.
    » Fitzgerald, verdammt, was machst du hier? «
    » Rate mal! « Liam hatte seine Pistole gezogen und richtete sie auf seinen Widersacher. » Komm näher, na los! «
    Arthur umklammerte seine blutende Linke und stolperte zwei Schritte nach vorn.
    » Ich dachte, du würdest auf immer im Kerker schmoren. «
    » Irrtum. «
    Arthur sah unsicher von Tamati zu Liam. Der Maori hatte soeben seinen Gegner mit dem Messer getötet und lief nun, die blutige Klinge noch in der Rechten, zu ihm. Er blieb hinter Arthur stehen und schnitt ihm so dem Fluchtweg ins Haus ab. » Was habt ihr vor, was wollt ihr von mir? «
    » Du erinnerst dich an Duncan, meinen Bruder? Ermordet von dir und Thomas Waters? «
    » Und an Tahetu, meinen Cousin, und seine Familie? « , ergänzte Tamati grimmig.
    » Was? Wer? Damit habe ich nichts zu tun! «
    » Die Toten fordern Rache! « , brüllte der Maori.
    Liam wechselte die Pistole in die linke Hand und zog seinen Säbel. Diesmal gab es keine Gnade. Leid für Leid und Blut für Blut. Arthur konnte schreien, so viel er wollte. Niemand hörte, wie seine Stimme durch den Wald hallte und allenfalls die Geister der Maori weckte.

    Johanna erwachte früh am Morgen. Die halbe Nacht hatte sie sich mit quälenden Gedanken herumgewälzt. Thomas, Liam, dann dachte sie wieder über die Verhandlung mit den Maori-Ältesten, die am Nachmittag stattfinden sollte, nach.
    Schließlich hatte sie genug davon, sich im Bett von einer Seite auf die andere zu drehen oder gegen die Decke zu starren. In dem Wissen, keine Ruhe zu finden, zog sie sich rasch an und verließ die Hütte.
    Barfuß, gegen die Nachtkälte in eine klamme Decke gehüllt, huschte sie auf schmalen Pfaden an Häusern und kleinen Höfen vorbei. Nebel hing noch zwischen den Bäumen, und auf den Gräsern glänzten Perlen aus Tau.
    Johanna kannte den Weg wie im Schlaf und stand schon bald vor einem prächtigen Holzbau, dessen geschnitzter First mit zahllosen Paua-Muscheln verziert war. In der aufgehenden Morgensonne schimmerten sie in allen Regenbogenfarben.
    Ein alter Mann saß auf einer kleinen Bank davor, blinzelte in das fahle Licht und rauchte Tabak.
    Er hob die knotige Hand und begrüßte Johanna mit einem Lächeln. Um den Alten rankten sich schon jetzt zahlreiche Mythen. Der Tätowierer war eine lebende Legende. Männerkamen von weither, um sich von ihm oder dem neuen tohunga ta moko, seinem Sohn Tamati, die Haut verzieren zu lassen.
    » Abiii! « , rief er hinter sich ins Haus, gefolgt von einem Redeschwall auf Maori.
    Gleich darauf erschien Abigail in der Tür. Eine wilde Flut roter Haare ergoss sich über ihr schlichtes beiges Leinenkleid. Sobald sie Johanna sah, breitete sich ein Strahlen über ihr sommersprossiges Gesicht aus. Johanna hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass sich die Irin nach Art der Maori das Kinn hatte tätowieren lassen.
    Die beiden Freundinnen umarmten sich.
    » Ich hoffe, ich störe nicht, Abigail. «
    » Sie stören nie, immer herein. «
    Johanna folgte ihrer Freundin in das geräumige Haus. Trennwände aus kunstvoll gewobenem Flachs teilten die Zimmer ab. Durch einige schmale Fenster fiel Licht herein. Abigail hieß Johanna an einem kleinen Tisch Platz nehmen, während sie Holz nachlegte. Der gusseiserne Ofen war Abigails ganzer Stolz und hatte wohl ehemals zur Ausstattung einer Kapitänskabine auf einem Schiff gehört. Eigentlich war es zu warm, um zu heizen, der Dezember war der heißeste Sommermonat, doch Abigail schienen der nebelige Morgen als Alibi auszureichen, um ihre neue Errungenschaft in Betrieb zu nehmen.
    » Wo ist dein Kleiner? « , fragte Johanna und sah sich suchend nach Abigails Sohn um.
    » Seine Großmutter

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