Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Unterleib und strich liebevoll darüber.
» Keine Angst, ich beschütze dich. Und wenn du geboren wirst, sind wir längst bei deinem richtigen Vater. Niemand wird dich mir fortnehmen, niemand! «
New Plymouth
S eit vier Nächten schon hatte Liam nicht mehr ruhig geschlafen und sich unablässig hin und her gewälzt. Obwohl es trotz der Sommerhitze in seinem Zimmer kühl und bei geöffnetem Fenster nachts sogar kalt war, klebte das leinene Bettzeug an seiner schweißfeuchten Haut.
Heute würde es damit ein Ende haben. Liam hatte Urlaub eingereicht, mit dem festen Willen zu Waters zu reiten und sein Vorhaben ein für alle Mal zu Ende zu bringen.
Und davor musste er mit Marina sprechen. Wenn er dann abreiste, würde sie genug Zeit haben, die Trennung zu überwinden. Ohnehin schien sie ihm seit ihrer Rückkehr nicht mehr die gleiche Wärme entgegenzubringen wie zuvor. Womöglich traf sie seine Entscheidung nicht so schwer, wie er befürchtete. Die Liebe für ihn schien einem freundschaftlichen Gefühl gewichen zu sein, ähnlich dem, was er schon immer für sie empfand. Sie gingen wie Freunde miteinander um, wie Geschwister. Marina zog sich immer weiter von ihm zurück, als hätte sich eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen aufgetürmt, die beständig anwuchs. Sie ging ihm aus dem Weg, wich seinem Blick aus und war oft nicht zu Hause, wenn er aus der Kaserne zurückkam.
Liam stellte Vermutungen an. Entweder hatte sie die Wahrheit seiner Empfindungen erkannt, oder es ging um etwas anderes, genauer gesagt, um jemand anderen. Er hoffte Letzteres. Wie gerne würde er Marina glücklich sehen. Sie hatte alles Glück der Welt verdient. In den vergangenen Wochen war sie häufiger bei einer Freundin in der Stadt gewesen, doch Liam hoffte, es sei nur ein Vorwand, den sie als Ausrede benutzte, um einen Mann zu treffen. Sein Gefühl sagte ihm, dass er richtig lag.
Die halbe Nacht hatte Liam durchwacht und den Morgen sehnsüchtig erwartet, allein auf dem Zimmer gefrühstückt und dann sein Reisegepäck zusammengestellt. Pistole und Säbel hatte er in den vergangenen Tagen wohl schon ein Dutzend Mal gereinigt, geölt und geschliffen. Alles war bereit für die Bluttat und zuvor… die Wahrheit.
Fahrig strich Liam noch einmal seine Kleidung glatt, während er den Privatbereich des Anwesens durchquerte, den er sonst nur selten betrat.
Die holzverkleideten Wände waren in einem hellen Cremeton gestrichen. Spiegel und goldene Ornamente zierten den Flur. Auf kleinen Tischen standen üppige Blumengestecke, Porzellanfiguren und glänzende Leuchter.
Eine junge Eingeborene in Hausmädchenuniform grüßte ihn lächelnd. Er ging vorbei, seine Schritte waren lautlos auf dem dicken Teppich. Familie Bellinghouse war reich, und sie stellten es wie selbstverständlich zur Schau. Liam hatte sich an den Luxus ihrer Gastfreundschaft gewöhnt. Fortan in einem kleinen Blockhaus nahe der Kaserne zu wohnen, kam ihm in diesem Moment völlig unwirklich vor. Doch vielleicht würde alles anders kommen. Nur Gott wusste, ob er oder Waters siegreich aus dem Duell hervorgehen würde. Womöglich ritt er seinem Tod entgegen.
Marinas Zimmer lag am Ende des Flurs und besaß durch seine Ecklage gleich mehrere Fenster. Er hatte es seit seiner Ankunft vor fast zwei Jahren erst einmal betreten.
Liam hatte gehört, wie Marina mit der Kutsche zurückgekommen war, sie musste also da sein.
Zögernd hob er die Hand und klopfte. Die Schläge hallten dumpf wie der Hammer eines Richters.
Als keine Antwort kam, versuchte er es noch einmal.
» Marina, ich bin es, Liam, ich muss mit dir reden. Darf ich hereinkommen? «
» Liam? « Sie schien überrascht. Ihre Stimme klang merkwürdig, als ginge es ihr nicht gut. Liam drückte die Tür auf und fand Marina weinend vor. Sie hockte mit angezogenen Beinen auf einem Sofa, die Augen waren gerötet.
Mehrere benutzte Spitzentaschentücher verteilten sich auf Tisch und Boden, und noch immer kullerten Tränen über ihre Wangen.
Liam war sofort bei ihr, kniete sich neben das Sofa und nahm vorsichtig ihre Hand.
» Marina, was ist denn los? Wer hat dir Kummer bereitet? Nenn mir seinen Namen, und ich fordere ihn zum Duell! « Was eigentlich als Scherz auf seine eigenen Kosten gedacht war, ließ Marina erschreckend ruhig werden. Den Kopf noch immer von ihm abgewandt, fragte sie mit brüchiger Stimme: » Das würdest du für mich tun? «
Liam zögerte, ihm wurde heiß. Würde er es tun? Sein Leben riskieren für Marinas Ehre? Die
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