Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Neuankömmlingen Beachtung, die aus dem Schiff geströmt waren und nun teils orientierungslos herumstanden.
    Liam und Adam in ihren Offiziersuniformen wurden von den Eingeborenen misstrauisch beäugt, obwohl Liam schon mehrere Uniformierte gesehen hatte. Die Garnison lag nicht weit entfernt, das wusste er. Die Stimmung der Eingeborenen schien alles andere als friedlich.
    Adam trat neben ihn und klopfte ihm auf die Schulter.
    » Wirst sehen, es ist ein wunderschönes Land. «
    Und Adam hatte recht. Auf der kurzen Kutschfahrt zum Haus seiner Gastgeber fiel es Liam schwer, weiterhin seinen finsteren Gedanken nachzuhängen. Sie fuhren langsam. Die beiden Pferde, die er aus England mitgebracht hatte, waren hinten angebunden. Die Tiere waren schwach und verwirrt nach der langen Überfahrt im finsteren Schiffsbauch. Es war seine Grauschimmelstute Fairy und der Wallach seines Bruders. Der braune Cassio lief mit hoch erhobenem Kopf. Er hatte markante hellblaue Augen, die er nun weit aufriss.
    Es ging vorbei an sanften Hügeln mit weißen Schafen, die monoton blökten. Moosbewachsene Findlingsmauern teilten Felder und Wiesen. Wo der Wald noch unberührt war, bildeten gelb blühende Bäume leuchtende Farbkleckse in dem Meer aus Grün. In den angrenzenden moorigen Senken wuchsen Palmen und exotische Farne wie in Londons Orangerie, ohne die Hilfe von Menschenhand.
    Bald folgten wieder Schafsweiden und beschworen Kindheitserinnerungen herauf. Damals lebte sein Vater noch, und Duncan. Wer hätte geahnt, was sie alles binnen weniger Jahre verlieren würden. Doch die Vergeltung würde kommen. Nicht heute, vielleicht auch nicht morgen, aber bald.
    » In drei Tagen beginnt übrigens dein Dienst « , unterbrach Adam die Stille und riss Liam aus seinen Erinnerungen.
    » In drei Tagen? So bald? «
    » Euer Schiff war spät dran. Wir rücken nach Süden aus, dort gibt es Unruhen. Mehrere Überfälle auf Siedler. Die Expeditionen dauern meist nicht länger als eine Woche. Danach kannst du dich in Ruhe einrichten. Wir würden uns freuen, wenn du nicht in der Garnison wohnst, sondern bei uns. Das Haus ist groß genug. «
    » Vielen Dank. Das Angebot nehme ich gerne an. « Sein Plan, als Erstes herauszufinden, wo sich Thomas Waters verkrochen hatte, musste warten.
    » Ist es sehr gefährlich? « , erkundigte sich Marina und drückte geziert eine Hand auf ihr Herz. Liam sah unwillkürlich auf die blasse Haut, die verheißungsvoll zwischen Schultertuch und Kleid hervorblitzte.
    » Ich bin mir sicher, dass Sie nichts zu befürchten haben, Miss. New Plymouth scheint ein friedliches Städtchen zu sein « , meinte Liam.
    » Meine Sorge gilt nicht mir, sondern Ihnen und meinem geschätzten Bruder, Mr Fitzgerald. Versprechen Sie mir, dass Sie aufeinander achtgeben. «
    » Ich verspreche es « , erwiderte er schnell. Marinas zarte Gefühle für ihn waren Liam nicht unbemerkt geblieben. Ein Grund mehr, bald aufzubrechen. Er wollte ihr keine falschen Hoffnungen machen.
    Im Geiste sah er sich noch immer an der Seite von Johanna. Aber sie war verheiratet, und sie wusste nichts von dem Mord an Duncan. Wenn es Liam gelingen würde, den Mord zu vergelten, würde Johanna ihn wohl kaum ehelichen wollen und so tun, als sei nichts gewesen. Womöglich würde sie Zeugin von Thomas’ Tod, undenkbar, dass sie die Bluttat danach vergaß.
    Nein, wenn er genau darüber nachdachte, konnte es keine Zukunft für ihn und Johanna geben. Entweder sie blieb mit Thomas verheiratet, oder sie wurde durch seine Hand zur Witwe.
    Wäre er vernünftig, dann würde er den Racheplan fallen lassen und Marinas zartes Werben erwidern. Adam würde ihn sicherlich gerne als Schwager begrüßen, und was sich die Londoner Verwandtschaft dabei gedacht hatte, ausgerechnet ihn für die Überfahrt zu ihrem Beschützer zu erklären, lag auf der Hand.
    Als Liam seinen Kopf wandte, begegnete er wieder Marinas entzückendem Lächeln. Es war zum Verrücktwerden.

April 1846
    Im Tal des Windes
    W o gehst du immer hin? « , erkundigte sich Johanna neugierig, als sie bemerkte, wie Hariata sich wieder einmal bereit machte, um in den Wald zu gehen. Die Maori verließ den Hof regelmäßig und blieb mehrere Stunden fort, um genauso plötzlich wiederaufzutauchen.
    Hariata klemmte sich ihren Flechtkorb unter den Arm und lächelte verschwörerisch.
    » Father Blake wird mich sicherlich mit den schlimmsten Verwünschungen belegen, wenn ich es Ihnen sage. Aber wenn Sie wollen, kommen Sie mit. Ich gehe in den