Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
sein schien. » Ja, was glaubst du denn, Mädchen? Um die Ehe mit Tamati beneidet dich jede unverheiratete Frau im Umkreis einer Tagesreise. Wahrscheinlich würden sie sogar liebend gern noch Zweitfrau werden. «
» Zweitfrau? « , stotterte Abigail entsetzt.
» Keine Sorge, das wird er nicht tun. Es sei denn, du möchtest, dass eine andere die schwere Hausarbeit für dich übernimmt. «
» Nein, nein, auf keinen Fall. «
Auch Johanna hatte es für einen Augenblick die Sprache verschlagen. Doch der Schatten schwand genauso schnell, wie er gekommen war, und Abigail strahlte wieder über das ganze Gesicht.
» Ich denke, wir sollten für heute die Arbeit ruhen lassen und ins Haus gehen. Es gibt etwas zu feiern und eine Hochzeit zu planen. «
Abigail vergaß sich für einen Moment und umarmte ihre Herrin dankbar. Johanna drückte sie an sich, die Federn des Umhangs kitzelten sie im Gesicht, und sie musste niesen. Lachend machten sich die drei Frauen auf den Weg.
An Bord der Southern Star, Tasmansee
E ndlich war Land in Sicht. Liam hatte das Meer so satt. Das endlose Blaugrau, nichts als stumme Weite und Erinnerungen, die sich aufdrängten. Die dreimonatige Überfahrt hatte seine innere Unruhe ins Unerträgliche gesteigert.
» Endlich! « , seufzte nun auch Marina Bellinghouse, die neben ihm stand und zum wiederholten Male eine hellblonde Haarsträhne hinter ihr Ohr schob und dort mit einer fein ziselierten Spange feststeckte.
Liam hatte die Aufsicht über die junge Frau übernommen, bis sie wohlbehalten bei ihrer Familie in New Plymouth angekommen war, und Marina hatte ihm die Aufgabe denkbar einfach gemacht. Wohlerzogen und still versuchte sie, ihm jeden Wunsch von den Lippen abzulesen, wo für sie allerdings kaum etwas geschrieben stand, und das enttäuschte sie.
Schon vom ersten Tag an war Liam klar gewesen, was ihr Onkel mit dieser Bitte bezweckte. Marina Bellinghouse war hübsch, anständig und unverheiratet, die perfekte Frau, um Liam wieder auf den rechten Pfad zu führen. Ihre Eltern, die bereits seit einigen Jahren in der Kolonie lebten, würden einen jungen adeligen Offizier als Schwiegersohn sicherlich willkommen heißen.
Johanna zu vergessen, ach… Liam wünschte, es wäre so einfach. Doch sie hielt sein Herz gefangen wie eine böse Eiskönigin aus einem Kindermärchen. Sicherlich, Liam hatte sich schon häufiger bei dem Gedanken ertappt, herauszufinden, ob sich Marinas Haar tatsächlich so weich anfühlte, wie es aussah, aber in diesen Momenten sprach eher sein Körper. Sein Herz vergaß nicht so schnell.
Einmal, als besonders starker Wind herrschte und er mit der jungen Frau dennoch an Deck spazieren ging, löste sich eine der blonden Flechten und streifte sein Gesicht. Die Berührung hatte ein Verlangen in ihm geweckt, das ihn selbst erschreckte und das er kurz darauf bei einer der armen Siedlerinnen gestillt hatte, die sich auf der Überfahrt ein paar Münzen dazuverdienten, indem sie den Soldaten zu Gefallen waren. Er wollte nicht in eine arrangierte Ehe stolpern, nur weil er sich einsam fühlte.
» Mr Fitzgerald, ich bin so schrecklich aufgeregt « , seufzte Marina und legte ihre kleine Hand auf seinen Arm. » Mit meiner Geduld ist es nun endgültig vorbei. Wann legen wir endlich an? «
Er lächelte, doch wirklich zugehört hatte er nicht. Das fremde Land erstreckte sich nun als schier endloses grünes Band aus Wiesen, Wäldern und Bergen vor ihnen. Er hatte es sich nicht so groß vorgestellt. Erst jetzt wurde ihm klar, wie abwegig der Plan war, sich für ein paar Tage vom Dienst befreien zu lassen, um seinen Schwur zu erfüllen. Jeder Tag, der Thomas Waters zu leben vergönnt war, fühlte sich wie ein Verrat an Duncan an.
Irgendwo dort zwischen den Bergen und der See war Johanna, und bei ihr der Mörder seines Bruders. Er würde beide finden, und wenn es den Rest seines Lebens dauerte.
Adam Bellinghouse hatte sie am Kai erwartet. Liam stand etwas abseits und betrachtete die neue Welt, während die Geschwister einander überschwänglich begrüßten. New Plymouth schien eine sehr überschaubare, aber wohlhabende Stadt zu sein. Neben ordentlichen kleinen Holzhäusern ragten einzelne steinerne Bauten hervor, die den Vergleich mit den Bürgerhäusern Londons nicht zu scheuen brauchten.
Von den Bergen trieb ein intensiver Geruch nach Harzen und Kräutern heran, der Liams Sinne nach der langen Zeit auf See beinahe unangenehm reizte.
Kaum ein Einwohner New Plymouths schenkte den
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