Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Baum erst recht fällte.
Wütend trat sie gegen die Tür und fluchte, als ein scharfer Schmerz durch ihre Zehen schoss. Die Tür hatte ein morsches Knirschen von sich gegeben. Sie war alt und offenbar alles andere als stabil.
Johanna sah sich suchend um. Ihr Blick fiel auf den schweren Silberleuchter am Bett, ein Teil ihrer Aussteuer. Der schmale Fuß, der mit fein getriebenen Lilien verziert war, passte in den Spalt zwischen Tür und Rahmen.
Johanna holte tief Luft, nahm all ihre Kraft zusammen und drückte. Die Tür ächzte, ein schmaler Riss ließ die Maserung aufplatzen, doch noch hielt sie stand.
Johanna entwich ein deftiger Fluch, dann versuchte sie es noch einmal. Mit einem Knall brach das Schloss auf. Sie strauchelte zurück. Für einen kurzen Moment fuhr ihr ein heftiger Schmerz in den Unterleib, doch er flaute gleich darauf ab. Als sie die Treppe hinunterrannte, hatte sie ihn auch schon vergessen.
Auf dem Weg hinaus, griff sie nach ihrem abgenutzten Schirm und einem wollenen Tuch. Sie rannte an den Gemüsebeeten vorbei hinter das Haus, folgte dem schmalen Pfad in den Wald, den Hariata fast jeden Morgen nahm. Der Regen hatte die Hänge in wahre Sturzbäche verwandelt. Zwei Mal fiel Johanna hin, bevor sie den Grat erreicht hatte, wo der Wald begann.
Axtschläge hallten schauerlich durch den Wald. Alle Vögel waren verstummt. Johannas Herz schlug bis zum Hals. Sie rannte, rannte immer weiter gegen den rauschenden Regen an, durch hüfthohen Farn und Schlingpflanzen.
Der Schirm war zwischen den eng stehenden Bäumen nutzlos. Johanna faltete ihn zusammen und schlug sich damit den Weg frei.
Eine Wurzel brachte sie zu Fall, und sie landete auf den Knien im Schlamm. Als Johanna wieder hochkam, spürte sie erneut den Schmerz im Bauch. Sie ignorierte ihn, lief weiter.
Kehlige Stimmen riefen wild durcheinander. Die Axtschläge hörten auf und begannen nicht wieder von Neuem. Etwas geschah dort! Johanna konnte sich nicht vorstellen, dass die Maori es zulassen würden, wie ihr Heiligtum zerstört wurde, und dann sah sie sie.
Die Maori standen mit dem Rücken zu ihr in einer Reihe. Durch die Lücken konnte sie Thomas sehen. Acht Arbeiter waren bei ihm, bewaffnet mit Äxten und Sägen. Drei Zugpferde standen bereit, um die gefällten Stämme abzutransportieren.
Hariata stand nicht weit von den Maori-Kriegern entfernt zwischen Thomas und dem Baum.
» Mr Waters, ich flehe Sie an, nehmen Sie doch Vernunft an! « , rief sie. Johanna rannte die letzten Schritte und blieb atemlos neben ihr stehen.
Sie sah zu Thomas, hinter dem eine breite Schneise durch den Wald führte. Licht, das dort ungefiltert auf den Boden fiel, machte die Zerstörung deutlich sichtbar, wie auf einer Bühne.
Als Johanna hinzukam, begannen die Maori-Krieger mit ihrem schauerlichen Tanz. Sie schwangen Keulen und Fäuste in Richtung der Holzfäller, die wiederum ihre Äxte fester griffen. Thomas und zwei weitere Männer trugen Gewehre.
» Mrs Waters, was tun Sie hier? « , rief Hariata erschrocken, fasste sie an der Schulter und zog sie zur Seite, wo im Schutz einiger Baumfarne weitere Frauen standen. Einige blickten verbissen drein, andere weinten und schämten sich ihrer Tränen nicht.
Thomas hatte seine Ehefrau bislang nicht einmal bemerkt. Er starrte verbissen zu den Kriegern, die ihm ihre Wut entgegenschrien. Johanna konnte nur ungläubig zusehen.
» Er darf es nicht tun, warum versteht er das nicht?! «
» Gehen Sie nicht hin « , ermahnte Hariata sie und fasste Johanna am Ärmel. » Die Männer sind jenseits von Gut und Böse. Denken Sie an das Kind in Ihrem Leib. «
» Macht, dass ihr wegkommt! Verschwindet! « , brüllte Thomas und richtete das Gewehr auf die Krieger.
» Thomas, nein! «
Johanna riss sich los und lief in seine Richtung. Da krachte ein Schuss.
Ein Krieger brach getroffen in die Knie und kippte langsam um. Johannas Bewegungen gefroren. Ungläubig starrte sie ihren Ehemann an, der einen Menschen erschossen hatte, um einen einzelnen Baum zu fällen.
Die Maori brüllten wütend auf. Sie sah erst jetzt, dass Tamati unter ihnen war.
Thomas starrte Johanna an, als sei er einem Geist begegnet.
» Was machst du da? Komm sofort hierher! «
Johanna schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hände. Nichts auf der Welt würde sie jetzt dazu bringen, zu ihm zu gehen.
Thomas wandte sich hastig nach seinen Schergen um und machte ein paar Schritte auf Johanna zu, als plötzlich Bewegung in die Krieger kam.
Hariata riss
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