Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
die Reihen.
Liam hatte einen Pfad zwischen den Bäumen ausgemacht, über den die Stammeskrieger auf die Soldaten zustürmten und ihre Keulenwaffen schwangen. Er feuerte seine Pistole ab, riss seinen Säbel aus der Scheide und stieß dem Wallach die Sporen in die Flanken. Das Tier machte einen gewaltigen Satz und schoss entgegen seines Fluchtinstinktes auf die brüllenden Gegner zu.
Liam hörte, wie ihm die anderen Reiter folgten, und dann sah er nur noch eines: die Krieger vor ihm. Ein Maori fuhr herum, hob seinen Arm und warf etwas. Liam riss an den Zügeln. Die kurze, scharfe Wurfkeule traf Cassio an der Schulter, riss eine klaffende Wunde und prallte gegen Liams Stiefel. Das verwundete Pferd knickte mit den Vorderbeinen ein, fing sich gleich darauf wieder, dann stand der Krieger mit einem Mal vor ihm.
Liam führte den Säbel mit aller Kraft, blockte die Waffe des Maori, schwang herum und traf ihn am Arm. Der Krieger brüllte, mehr aus Zorn als vor Schmerz.
Liam erwiderte den Blick des anderen, trat ihm vor die Schulter und versetzte ihm mit dem Säbel den Todesstoß.
Überall waren die Reiter nun in erbitterte Kämpfe verwickelt. Manche hatten einen schweren Stand, auch Adam, der zwischen dichten Büschen kaum manövrieren konnte und es gleich mit zwei Gegnern aufnehmen musste.
Liams Puls beschleunigte um ein weiteres Quäntchen. Er musste dem Freund beistehen, doch er war weit entfernt. Im Nu trieb er Cassio durch das Unterholz, vorbei an Fußsoldaten und Maori-Kriegern. Längst fielen keine Schüsse mehr. Zum Nachladen fehlte beiden Parteien die Zeit.
Liam dankte im Stillen Gott für sein gutes Pferd, das trotz der Verletzung wendig war, während er sich darauf konzentrieren konnte, Schaden unter den Angreifern anzurichten. Er stieß seine Klinge in ungeschützte Rücken, hackte auf Schultern ein, schlitzte Kehlen auf. Blut durchtränkte seinen Handschuh, bespritzte Kopf und Brust seines Pferdes. Cassio sprengte mit wild rollenden Augen vorwärts und teilte so manchen Tritt aus.
Was Duncans Kameraden in der Akademie noch für nutzlose Zirkuskunststücke gehalten hatten, rettete Liam nun das Leben.
Ein Maori-Krieger, der Liam von hinten angriff, während er noch in das Gefecht mit einem untersetzten, grimmigen Kämpfer verwickelt war, bekam Cassios Hufe zu spüren und kam nicht mehr hoch.
Liam wusste nicht, wie viele Männer er verwundet, wie vielen er beim Sterben ins Gesicht gesehen hatte. Er selbst saß noch immer heil im Sattel, andere besaßen nicht so viel Glück. Die Infanteristen brachen unter dem Ansturm der Wilden zusammen, die auch die Kavallerie in erschreckender Geschwindigkeit dezimierten. Die riesigen Keulen der Maori fällten die Pferde schneller als eine Axt auf der Schlachtbank. Liam hielt sich fern von dem dichten Gewühl, wählte sich einzelne Gegner. Zwei, drei Galoppsprünge durch hohes Farn, durchparieren, ein Säbelhieb, und wieder ging ein Mann in die Knie. Liam stieß nach, riss die Klinge frei und stellte sich in die Steigbügel. Er konnte kaum etwas sehen. Pulverrauch hing wie dichter Nebel zwischen den Bäumen. Hier und da bewegten sich Männer durch das Unterholz, die wenigsten trugen eine Uniform. Es schien, als würden die Maori diesmal den Sieg davontragen.
Ein reiterloses Pferd galoppierte vorbei, stürzte, sprang wieder auf und lief weiter.
Liam sah dem Tier nach und entdeckte endlich Adam, der gleich von mehreren Kriegern mit langen Stäben attackiert wurde.
» Los, Cassio! « Das Pferd wendete auf der Hinterhand und preschte los.
Liam brach im vollen Galopp durch das Dickicht, hielt auf einen der Angreifer zu und ritt ihn nieder. Der Krieger wurde gegen einen Baumstamm gestoßen und kämpfte mit dem Gleichgewicht. Liam nutzte den Augenblick und hieb mit dem Säbel auf dessen Schulter ein. Der Fremde verlor seine Stabwaffe, doch er schien noch lange nicht bereit aufzugeben.
Während Liam versuchte, Cassio in der Enge des Waldes in eine bessere Position zu bringen, riss der Krieger eine kurze Waffe aus seinem Gürtel und warf sie.
Liam versuchte, dem Geschoss im letzten Moment auszuweichen, aber es war zu spät. Der scharf geschliffene Stein traf ihn in die Seite. Es knackte, als seine Rippen brachen. Der dumpfe Ton setzte sich wie eine Welle in seinem Körper fort, es war, als würde jeder einzelne Knochen erschüttert. Der Schmerz kam nicht, noch nicht. Dafür war keine Zeit.
Liam riss Cassio herum, lehnte sich weit aus dem Sattel und vergrub den Degen bis zum
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