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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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auf. Die Stimme kannte sie doch. Im nächsten Moment kam Abigail auf sie zugerannt. Die Irin weinte.
    » Was ist mit dir? «
    » Ich war bei Tamati. Er hat mich fortgeschickt. Er sagte, ich soll zu dem anderen Pakeha gehen « , sagte sie, atmete tief durch und wischte sich zornig über die Wangen.
    Jetzt erst merkte Johanna, wie schwach sie sich fühlte. Sie ließ sich von ihrer Freundin zum Haus helfen, die Stufen hoch zur Veranda erklomm sie mit letzter Kraft.
    » Was ist passiert? Wo kommen Sie jetzt her? Mein Gott, wie Sie aussehen! « , stieß Abigail hervor.
    Johanna antwortete einsilbig. Als sie die Schießerei erwähnte, wurde die Irin kreidebleich. » War Tamati auch dabei? «
    » Ja, aber ihm ist nichts passiert. Er ist mit den anderen fort. «
    » Sie müssen aus den nassen Sachen raus « , forderte Abigail sie auf. Hastig lief sie zum Kamin und warf einige Scheite auf das schwach glimmende Feuer. Sie entzündete Kerzen und half Johanna aus der regendurchnässten Kleidung.
    Plötzlich stockte sie.
    » Mrs Waters, sind Sie verletzt? «
    » Nein, nein, wieso? Ich bin gefallen, aber es war nicht schlimm. «
    Abigail nahm eine Lampe vom Tisch. Der Schein des Lichts fiel auf den Holzboden. Eine breite Spur aus Wasser und Schlamm führte von der Tür bis zu Johanna. Und da war noch etwas. Einzelne rote Sprenkel. Blut.
    Johanna entfuhr ein Schrei. Jetzt, da sie still stand, fühlte sie eine warme Flüssigkeit ihre Beine hinablaufen.
    In Windeseile half ihr Abigail aus Kleid und Unterrock, dann starrten beide auf die knielangen weißen Hosen. Vom Blut klebten sie an den Innenseiten der Schenkel.
    » Maria, Mutter Gottes, erbarme dich. « Die Stimme der Irin war nicht mehr als ein Flüstern. Johanna nickte. Die Erkenntnis, was das Blut zu bedeuten hatte, kroch langsam, aber unerbittlich in ihren Verstand.
    Ein erneuter Krampf zwang sie in die Knie, und sie schrie verzweifelt auf.
    Abigail hielt ihre Hand und redete leise und beruhigend auf sie ein. Der nächste Krampf kam und zerriss ihr schier den Unterleib. Das Kind kam, mehr als drei Monate zu früh.
    » Halten Sie sich an mir fest. Gleich ist es vorbei. «
    » Es… darf… nicht kommen! « , stieß Johanna hervor. Ihr Körper bäumte sich ein weiteres Mal auf. Ein Schwall Blut ergoss sich auf die Holzdielen, und dann fühlte sie sich mit einem Mal ganz leicht. Der Boden schien unter ihr zu zerfließen, und sie sank. Tiefer und tiefer, bis die Ohnmacht gnädig einen schwarzen Mantel über sie breitete.

    Eine liebevolle Berührung weckte Johanna. Jemand hielt ihre Hand und strich sacht darüber. Sie wusste im ersten Moment nicht, was geschehen war. Sie lag in ihrem Bett in der kleinen Hütte im Tal. Es roch intensiv nach den süßen gelbroten Früchten der Tataramoa, einer Art einheimischer Brombeere, die sie erst vor Kurzem am Wasserlauf entdeckt hatte. Auf die Dachschindeln prasselte der Regen.
    Johanna zwang sich, die Augen zu öffnen. Im Dämmerlicht einer Kerze saß Thomas und hielt mit verbittertem Gesicht ihre Hand. Er sah auf ihre Finger, streichelte sie mit einer Intensität, als konzentriere er all die Liebe, die er für sie empfand, auf diesen Teil von ihr. Als sei der Rest von ihr unberührbar. Vergiftet.
    Dann kehrte der Schmerz in ihren Unterleib zurück, dumpf und bösartig wie ein Tier, das dort schon eine ganze Weile gelegen und gewartet hatte.
    Das Kind! Sie hatte das Kind verloren.
    Nagende Trauer kroch in ihr Herz und wiederholte immer wieder den schicksalhaften Verlust, bis die Stimme in ihr laut war wie Schreie. Das einzige Geräusch, das sie zustande brachte, war ein gurgelndes Schluchzen.
    » O Gott, Johanna! «
    Thomas fiel neben dem Bett auf die Knie und starrte sie mit fiebrigem Blick an. » Ich dachte, ich würde dich auch noch verlieren. «
    Er hielt ihre Hand, als hätte er sie daran aus den Klauen des Todes gerissen. Wie ein Besessener drückte er Küsse darauf und wiederholte gebetsmühlenartig ihren Namen.
    Johannas Augen blieben starr auf ihn gerichtet. Wer war dieser Mann? Das konnte doch nicht der gleiche Thomas Waters sein, der im Wald kaltblütig einen Menschen erschossen hatte?
    Oder war all das gar nicht geschehen?
    » Wie geht es dir? « , fragte Thomas weich. » Brauchst du etwas? Hast du Hunger? «
    Johanna räusperte sich und bekam kein Wort heraus.
    » Wasser? « Er sprang auf und goss etwas aus einer Karaffe in ein Glas. Durch das Plätschern merkte Johanna erst, wie durstig sie war. Sie war zu schwach, um sich

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