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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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in der Dunkelheit. Liam seufzte und setzte sich auf einen Stein, neben dem ein kleines Feuer brannte. Nicht weit entfernt stand das Zelt, das er mit Adam teilte. Dieser war sicherlich bei seinen Freunden und feierte sein Überleben mit Essen und Schnaps. Unter den Männern schien es zwei unterschiedliche Typen zu geben. Jene, die es nach überstandener Schlacht nach geselliger Heiterkeit verlangte, und jene, die Stille und Einsamkeit bevorzugten. Liam gehörte zu letzterer Kategorie.
    Der Regen war mittlerweile abgezogen. Nun hing eine fahle Mondsichel am Himmel, die nur sehr spärliches Licht bot. Liam zog dennoch sein Skizzenbuch hervor, schlug es auf, und der Grafitstift huschte über das Papier. Der tote Maori erstand wieder auf, das Mere, das nun ihm gehörte, drohend erhoben. Daneben hielt er sein Gesicht fest, das sich mit jeder Linie und jeder Falte in seine Erinnerung gebrannt hatte. Seit Wochen malte er nun schon getötete Gegner, Kameraden, die er nur kurz gekannt hatte, verendete Tiere, die unschuldig gefallen waren, aber auch Dörfer und Berge, beeindruckende Schwefelfelder und nebelverhangene Wälder.
    Liam nahm einen Schluck Brandy aus seiner Taschenflasche. Der Alkohol brannte reinigend in seiner Kehle. Gedankenverloren blätterte er Seite um Seite zurück, bis er Johanna ins Antlitz sah. Im spärlichen Mondlicht war die Zeichnung kaum zu erkennen. Doch er wusste auch so, was er porträtiert hatte. Licht spielte in ihrem Haar, und sie lächelte. Ob sie Thomas Waters genauso ansah?
    Vor seinem inneren Auge wurde das Bild lebendig, und plötzlich sah er den Tag ihrer Hochzeit vor sich. Waters hob seine Braut empor, und in seiner verfälschten Erinnerung sah sie ihn verliebt an. Ihr Glück erkauft mit dem Blut seines Bruders.
    Liam ballte die Faust.
    Er hatte Johannas Blick gesehen. Sie war nicht glücklich. Tage später hatte auch er gehört, was man sich über die Verbindung zuflüsterte. Waters hatte die Finanzen seiner Schwiegereltern saniert und so seine Braut gekauft. Unschön, aber eine gängige Praxis. Es hatte Liam zugleich erleichtert und sehr traurig gestimmt. Ihre Gefühle für ihn waren aufrechter Natur gewesen. Doch einer Frau wurde in dieser Sache selten die Wahl gelassen, und selbst Männer hatten es mitunter schwer, frei zu entscheiden.
    Auf der letzten Seite seines Skizzenbuchs hatte Liam seit seiner Ankunft alle Informationen zusammengetragen, die er über Waters finden konnte. Er hatte Briefe nach Wellington und Auckland geschickt und vorgetäuscht, sich nach einem Verwandten zu erkundigen. Waters’ Adresse hatte er schon vor dem Aufbruch aus London gewusst.
    Er hatte Pläne studiert. Lake Tarapunga war nicht allzu weit von New Plymouth entfernt, jedoch so abgelegen, dass er mindestens einen ganzen Monat für Hin- und Rückreise benötigen würde. Liam hatte nicht vor zu desertieren. Waters war es schon einmal fast gelungen, sein Leben zu zerstören, noch einmal würde er für ihn nicht ins Gefängnis gehen.
    Er musste warten. Er wusste nicht, wie lange, doch irgendwann würde man ihm den Antrag auf Urlaub bewilligen. Bis dahin würde er seinen Hass pflegen wie eine Waffe, die beständig besser und schärfer wurde.
    Womöglich hatte das Schicksal sogar ein Einsehen mit ihm, und ein Feldzug brachte ihn in die Nähe. Im Moment sah es sogar danach aus, als würde sich der Konflikt bis in die Whanganui Region ausbreiten. Doch das brachte auch Johanna in Gefahr.
    Liam schlug das Buch zu und trank einen weiteren Schluck Brandy. Er brannte in der Kehle und suchte sich den falschen Weg.
    Der Hustenreiz ließ sich nicht mehr aufhalten. Der Schmerz, als die gebrochenen Rippen von den kontrahierenden Muskelnzusammengezogen wurden, trieb Liam Sterne vor die Augen.
    Er fluchte bitter, sobald er wieder atmen konnte, dann stand er auf und ging zum Zelt. Vielleicht würde ihm der Schlaf helfen, zu vergessen oder zumindest wieder klarer zu denken.
    Im Tal des Windes
    E ine wahre Sturzflut ging nieder und prasselte mit ohrenbetäubendem Rauschen auf das Dach.
    » Thomas. Thomas! Das darfst du nicht tun, Thomas! «
    Johanna gab auf. Er war ohnehin längst fort. Sie lief in der engen Dachkammer auf und ab und konnte es immer noch nicht fassen. Thomas hatte sie tatsächlich eingeschlossen!
    Verstand er denn gar nichts?
    Was wäre so schlimm daran, den Maori ihren heiligen Baum zu lassen? Johanna wurde das Gefühl nicht los, dass er nun, nachdem sie ihn darum gebeten hatte, davon Abstand zu nehmen, den

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