Im Taumel der Herzen - Roman
möchtest du nicht Raymond mitnehmen?«
»Lieber Himmel, nein! Mit ihm im Schlepptau wäre die Reise nur unangenehm!«
Sobald sie das Zimmer ihres Vaters verlassen hatte, fragte sie sich, ob ihr überhaupt genug Zeit für all die Dinge blieb, die sie an diesem Nachmittag noch erledigen musste. Als Erstes schickte sie Carol eine Nachricht. Sie hoffte, ihre Freundin würde zu ihr kommen, sodass sie sich unterhalten konnten, während sie packte. Julia befürchtete, den Anwalt zu verpassen, wenn sie das Haus verließ. Da sie Carol seit dem Ball bei den Malorys nicht mehr gesehen hatte, gab es eine Menge zu erzählen.
Doch kaum hatte sie den Dienstboten mit der entsprechenden Nachricht losgeschickt, als Carol auch schon in das Zimmer stürmte, wo Julia gerade Kleider aufs Bett legte, die ihre Zofe einpacken sollte, sobald die zusätzlichen Koffer vom Dachboden heruntergebracht wurden.
Offenbar war Carol bereits auf dem Weg zu ihr gewesen, und ihre erste Frage lautete: » Wie kommt es, dass du plötzlich verheiratet bist?«
Überrascht, dass Carol dies bereits wusste, fragte Julia zurück: »Wie kommt es, dass du darüber bereits informiert bist?«
»Soll das ein Witz sein? Deine Dienstboten reden über
nichts anderes mehr, seit deine Zofe die Neuigkeit verbreitet hat. Euer Butler hat es sofort erwähnt, als er mich hereinließ.«
Julia seufzte. Sie würde mit ihrer Zofe ein Wörtchen reden müssen. Das Mädchen entpuppte sich als richtige Klatschbase.
Doch Carol überraschte sie sogar noch mehr, als sie hinzufügte: »Den eigentlichen Grund für deine Reise nach Willow Woods kenne ich ebenfalls schon.«
»Woher?«, erkundigte Julia sich, erriet es dann aber selbst: »Ach ja, Vater hat gesagt, dass du ihn besucht hast, als ich nicht hier war. Ich nehme an, er hat es dir erzählt.«
»Stimmt. Ich kam vorbei, um dich zu besuchen, aber du warst mal wieder nicht da – es ist fast schon lächerlich, wie oft wir beide uns in dieser Woche verpasst haben müssen. Also habe ich stattdessen deinen Vater besucht, den ich seit seiner Genesung noch nicht wieder gesehen hatte. Allerdings erwähnte er Ziel und Grund deiner Reise nur deswegen, weil er dachte, ich wäre ohnehin eingeweiht. Er weiß, dass wir beide uns alles erzählen. Ich war so enttäuscht darüber, dass ich es von ihm erfahren musste, statt von dir selbst. Als deinem Vater dann klar wurde, dass ich nicht einmal über die Rückkehr deines Verlobten Bescheid wusste, hat er mir keine Einzelheiten mehr verraten.«
»Ich habe dir doch an dem Ballabend von ihm erzählt …«
»Hast du nicht!«
»Doch — wenn auch nur indirekt«, erklärte Julia. »Ich wusste zu diesem Zeitpunkt ja selbst noch nicht, dass es sich um Richard handelte. Erinnerst du dich an den Franzosen?«
»Das war Richard? Du meine Güte! Aber hattest du nicht gesagt, er wäre in eine andere verliebt – eine verheiratete Frau?«
»Georgina Malory.«
Carol schnappte nach Luft. »Ist er lebensmüde?«
»Nein. Ich bin mir sicher, dass das nur eine vorübergehende Vernarrtheit war. In letzter Zeit wurde er kein einziges Mal
mehr melancholisch, wenn jemand sie erwähnte. Nachdem ich inzwischen weiß, wie wagemutig er ist, nehme ich an, dass er nur in die Gefahr verliebt war, der er sich als Georginas Verehrer aussetzte.«
Carol seufzte. »Das heißt aber, dass du nicht wirklich verheiratet bist, oder? Bestimmt hattest du einen triftigen Grund, deiner Zofe einzureden, du seist es.«
»Ich glaube, du setzt dich besser«, überlegte Julia, ehe sie Carol auf den neusten Stand brachte.
Nachdem ihre Freundin sogar die intimeren Details gehört hatte, die Julia sonst niemandem erzählen wollte, äußerte sie erstaunt: »Da sitzt du ja ganz schön in der … Zwickmühle. Nein, nicht weinen!«
Julia konnte nicht anders. »Die Ironie an dem Ganzen ist, dass er tatsächlich mein Traummann ist – wie für mich gemacht! Aber ich bin nicht seine Traumfrau!«
»Gütiger Gott, du liebst ihn? Nach all den Jahren, die du ihn gehasst hast, liebst du ihn nun?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Das war auch gar nicht nötig.«
»Aber ich will nicht so weit weg von allem leben, was mir lieb und vertraut ist – an einem Ort, der so fremdartig klingt.«
Carol verdrehte die Augen. »Du weißt doch erst, wie es dort ist, wenn du wirklich da warst. Was hast du denn sonst noch für Bedenken?«
Julia antwortete mit ganz leiser Stimme: »Er liebt mich nicht.«
»Bist du sicher?«
»Nun ja, nein, aber
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